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BSVÖ – Im toten Winkel: Warum Rechtsabbiegen bei Rot eine schlechte Idee ist

  • rechtsabbiegen bei rot © bsvö

Seit Oktober 2022 dürfen Fahrzeuge in gewissen Situationen auch bei roter Ampel rechts abbiegen. Was den Verkehr beschleunigen soll, bedeutet für blinde und sehbehinderte Menschen aber vor allem eines: gefährdete Sicherheit der selbstbestimmten Mobilität.  

Aktuelle Lage

Seit über einem Jahr ist nun das Rechtsabbiegen bei Rot in Österreich an bestimmten Kreuzungen möglich. Die Ausnahme: Lastkraftfahrzeuge oder Busse mit höchstem zulässigem Gesamtgewicht von jeweils mehr als 7,5t. Auch der Radverkehr darf, sofern die Kreuzung dafür freigegeben wurde, bei rotem Licht rechts abbiegen. In Wien wurden hierfür anfänglich 10 Kreuzungen ausgewählt, es folgte 2023 die Ausweitung auf 337 Ampeln, bei denen auch bei Rot das Abbiegen erlaubt ist. Alle ausgewählten Kreuzungen unterliegen Vorgaben in Form eines Prüf- und Ausschlusskriterienkatalogs. Nur wenn die Parameter erfüllt sind (etwa Tempo, Sichtweite, Verkehrsstärke und Umfeld) und die technischen Richtlinien (RVS) erfüllt sind, kann die Kreuzung für Rechtsabbiegen bei Rot freigegeben werden. In den Bundesländern ist die Anzahl der bereits freigegeben Ampeln deutlich kleiner, es werden aber in vielen Bundeshauptstädten mögliche Kreuzungen für Abbiegen bei Rot evaluiert.

Aufmerksamkeit gefordert

Problematisch werden die Ampeln dann, wenn sich Fahrzeuglenker:innen beim Rechtsabbiegen in den Querverkehr einordnen müssen. Biegt ein Fahrzeug ab, ohne sich zur Genüge versichert zu haben, damit den Querverkehr nicht zu gefährden, kann es schnell zu brenzligen Situationen kommen. Kinder, Senior:innen, in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen sowie blinde und sehbehinderte Personen müssen sich darauf verlassen, dass ihnen am Schutzweg keine Gefahr droht, selbst wenn andere Fahrzeuge queren dürfen. Es hängt also von den Lenker:innen ab, die Situation richtig einzuschätzen und voraussichtig zu handeln. Wird rücksichtslos bei Rot gequert, sind Unfälle vorprogrammiert. Deswegen gilt für alle Lenker:innen: Anhalten, prüfen, erst dann – wenn möglich –  abbiegen.

Alarmierende Untersuchung

Zwischen August und Oktober 2023 untersuchten Expert:innen des ÖAMTC an neun ausgewählten Kreuzungen in Wien, ob sich der Radverkehr an die Vorschriften der StVO hält. Das Ergebnis ist höchst beunruhigend: Von 262 Personen verhielten sich lediglich 12 Prozent beim Rechtsabbiegen bei Rot korrekt! 74 Prozent missachteten die Vorgaben der StVO, 14 Prozent nutzen die Option des Abbiegens nicht.

Rücksicht zu erwarten?

Der Mobilitätsclub fordert aufgrund der Studie Nachbesserungen: es brauche mehr Wissen über die geltenden Vorschriften, etwa der „Halt“-Regelung. Außerdem solle die Tafel, die das Abbiegen bei Rot als erlaubt kennzeichnet, vergrößert werden, um besser wahrgenommen zu werden. In einer Stellungnahme des ÖAMTC zu den Forderungen  des BSVÖ, Rechtsabbiegen bei Rot generell nicht anzuwenden, verwies der Mobilitätsclub auf die an sich strengen technischen Richtlinien (RVS), die für Rechtsabbiegen bei Rot gelten und betonte, dass die durchgeführte Evaluierung bezüglich Regeltreue, Nutzungshäufigkeit und Konfliktpotential eindeutiges Verbesserungspotential der derzeit gegebenen Situation erkennen ließen. Es sei nun der Gesetzgeber in der Pflicht, notwendige Maßnahmen zu treffen um bestehende Mängel und Unzulänglichkeiten zu beheben.

Zurück zu Rot bei Rot

Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ) hat sich seit der Anfangsphase des Projekts „Rechtsabbiegen bei Rot“ intensiv in die Diskussion eingebracht, mit Entscheidungsträger:innen konsultiert und von Beginn an große Bedenken angemeldet. Das gilt für den PKW-Verkehr ebenso wie für den Fahrradverkehr, wie DI Eva Etzenberger, Leiterin der Kompetenzstelle für Barrierefreiheit des BSVÖ betont: „Die gefahrlose Überquerung der Fahrbahn bei einem Freisignal ist für blinde und sehbehinderte Fußgänger:innen von essenzieller Wichtigkeit. Besonders bei Fahrrädern ist eine akustische Orientierung anhand von Fahrzeuggeräuschen so gut wie gar nicht möglich.“

Eine Ausweitung auf noch mehr Kreuzungen, wie es zu befürchten ist, läuft gegen die Sicherheit von blinden und sehbehinderten Menschen und vielen anderen Personengruppen, die Teil des Straßenverkehrs sind. Jene Gruppen müssen beim korrekten Queren einer Kreuzung darauf hoffen, dass Abbiegende sich an die Vorschriften halten und noch dazu keine unbeabsichtigten Fehler begehen, wie etwa Herannahende schlichtweg zu übersehen.

Es ist dem BSVÖ unverständlich, wie sichere und selbstbestimmte Mobilität so leichtfertig aufs Spiel gestellt werden kann. Wie die zitierte Untersuchung nahelegt, reicht oberflächliches Nachbessern nicht, um den Verkehr für wirklich alle Teilnehmenden sicher zu gestalten.

Weiterführende Links

GMI Stellungnahme Rechtsabbiegen bei Rot: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/485/Rechtsabbiegen-bei-Rot

BSVÖ "Rechtsabbiegen bei Rot" gestoppt! https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/490/Rechtsabbiegen-bei-Rot-gestoppt

BSVÖ Mehrsinne Mittwoch - Gemischte Sicherheitsgefühle: Ein Kommentar zur 33. StVO Novelle: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/1542/BSVOe-Mehrsinne-Mittwoch-Gemischte-Sicherheitsgefuehle-Ein-Kommentar-zur-33-StVO-Novelle

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