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BSVÖ: Mythen der Barrierefreiheit

Reihe des Blinden- und Sehbehindertenverbandes Österreich

 

BSVÖ: Barrierefreiheitspolizei und sprechende Blindenführhunde? Mythen der Barrierefreiheit Teil 1.


Eigentlich ist der Begriff den meisten bekannt: Barrierefreiheit. Was sich aber genau dahinter verbirgt, wissen viele dann doch nicht. Warum es aber nicht nur wichtig ist, den Begriff sondern auch die Auswirkungen von (fehlender) Barrierefreiheit zu kennen beweist Teil 1 unserer Reihe: Mythen der Barrierefreiheit.Mythen der Barrierefreiheit ©BSVÖ

Mythos 1: Wer sich nicht an die Regel der Barrierefreiheit hält, kann dafür bestraft werden

Schön wär‘s! Nein, es gibt keine Barrierefreiheitspolizei. Barrierefreiheit ist eine sehr komplexe Angelegenheit, die für alle Menschen mit Behinderungen gedacht werden muss. Somit passiert es schnell, dass gewisse Bedürfnisse oder Anforderungen einfach nicht getroffen werden und dennoch die Rede von Barrierefreiheit ist. Wer Barrieren erkennt, kann sie an verschiedenen Stellen melden, muss aber meist selbst herausfinden, wer zuständig ist. Und auch, wenn es Normen, Richtlinien und sogar Gesetze gibt, existiert nicht das eine offizielle Organ, das fehlende Barrierefreiheit aufspürt, abstraft und einfordert. Das bedeutet aber nicht, dass es nicht sehr wohl zu Strafen kommen kann, wenn Barrierefreiheit nicht eingehalten wird! Außerdem: alle profitieren von Barrierefreiheit. Denn auch, wer nicht auf sie angewiesen ist, kommt mit baulicher und digitaler Barrierefreiheit sicherer und bequemer durchs Leben.

Mythos 2: Ein Blindenführhund findet jeden Weg.

Wir müssen Sie enttäuschen. Blindenführhunde sind in der Regel weder so klug wie Kommissar Rex, noch so heldenhaft wie Lassie. Auch wenn die Tiere eine sehr aufwendige Ausbildung durchlaufen und eine Vielzahl an Befehlen verstehen und umsetzen können, sind sie kein restloser Ersatz für eine sehende Begleitung auf zwei Beinen. Blindenführhunde finden Treppen, Aufzüge und Sitzplätze und bringen ihre Menschen sicherer durch den Alltag bekannter Wege. Aber natürlich sind sie nicht Google Maps – ihnen eine unbekannte Adresse durchzugeben, wird zwar zu treuem Schwanzwedeln führen, nicht aber ans Ziel…

BSVÖ: Reichliche Rampen und Schirm Charm und Taststock. Mythen der Mythen der Barrierefreiheit ©BSVÖBarrierefreiheit Teil 2.

Letzte Woche haben wir entlarvt, dass es keine Barrierefreiheitspolizei gibt und dass Blindenführhunde leider (noch) keine ausgeprägte Navi-Funktionen haben. Im Teil 2 unserer Reihe Mythen der Barrierefreiheit stellen wir uns der Annahme, dass Rampen reichen und dass „richtige“ blinde und sehbehinderte Menschen immer ganz klar zu erkennen sind.

Mythos 1: Rampe gut, alles gut.

Konventionell wird als Pictogramm für Barrierefreiheit ein Mensch in Rollstuhl verwendet. Das Symbol findet sich auf WC-Anlagen für Menschen mit Behinderungen ebenso wie an Wegweisern, die barrierefreie Zugänge zu Gebäuden markieren. Aber auch, wenn die bauliche Zugänglichkeit für mobilitätseingeschränkte Menschen essentiell ist, umfasst sie noch lange nicht alle Bereiche der Barrierefreiheit, die für alle Betroffenen relevant sind. Eine Rampe über einen Eingang mit Stufen macht das Gebäude noch lange nicht barrierefrei. Menschen mit (und auch ohne) Behinderungen haben unterschiedliche Bedürfnisse, um selbstbestimmt und sicher leben zu können. Als generelle Faustregel für Barrierefreiheit kann das Design for all gelten, bzw. das Mehrsinne-Prinzip. Erst wenn Informationen und die Zugänglichkeit über mehrere Wege erreicht werden kann (auditiv, visuell, taktil) und wenn die bauliche Zugänglichkeit so sicher, selbsterklärend und frei von Barrieren gestaltet ist wie möglich, kann von Inklusion die Rede sein.

Mythos 2: Blinde Menschen sind erst dann richtig blind, wenn sie mit Führhund, Taststock, dunkler Sonnenbrille und Blindenschleife auf der Straße unterwegs sind.

Während Blindheit relativ klar definiert ist (Der Visus beträgt nicht mehr als 0,02. Das Gesichtsfeld ist auf weniger als 5 Grad eingeschränkt), gibt es sehr viele Ausprägungen der Sehbehinderung. Deswegen verwenden betroffene Personen auch unterschiedliche Hilfsmittel. Manche Menschen fühlen sich wohler, wenn sie mit einen Langstock unterwegs sind, andere tragen Brillen, die sie davor schützen, geblendet zu werden, führen sonst aber keine sichtbaren Signale bei sich. Nur wenige Menschen in Österreich haben auch wirklich einen Blindenführhund und nicht alle wollen eine „Blinden“-Schleife tragen. Blinde und sehbehinderte Menschen sind also so individuell unterwegs, wie Menschen ohne Behinderung auch. Wer seiner Umwelt aufmerksam und respektvoll gegenübertrtitt, wird aber auf die Bedürfnisse seiner Mitmenschen reagieren und eingehen können. Auch ohne „klassischer“ Merkmale.

Ihre Fragen sind gefragt!

Bestimmt haben auch Sie sich auch gefragt, wie Barrierefreiheit eigentlich funktioniert. Ob man dafür bestraft werden kann, wenn man sie nicht umsetzt. Und wer einem weiterhilft, wenn man selbst ansteht. Damit diese Fragen nicht länger unbeantwortet bleiben, geht die Wissen-Reihe „Fragen bringen Mehr-Sinn“ nun an den Start.  Nutzen Sie die Chance und schreiben Sie uns, welche Fragen Ihnen im Kopf herumschwirren – unsere Expertinnen sind Meisterinnen des Fachs und haben die Antworten gebündelt für Sie. Und keine Angst – es gibt keine dummen Fragen!

Schreiben Sie an: pr@blindenverband.at

Webinare: Digitale Medien zugänglich machen.

Susanne Buchner-Sabathy, Expertin für digitale Barrierefreiheit des BSVÖ, und Doris Ossberger, ehemalige Leiterin der Kompetenzstelle für digitale Barrierefreiheit des BSVÖ, gehen mit Ihnen Schritt für Schritt in Richtung digitaler Barrierefreiheit!

Am 10., 11. und 17. September 2024 finden drei online Workshops „Digitale Barrierefreiheit kurz und gut“, „3 Schritte zum barrierefreien PDF“ und „Mein Handy spricht mit mir: Screenreader sehend nutzen“ statt. Melden Sie sich gleich an und freuen Sie sich auf einen inspirierenden Start in den Herbst! Informationen zu Inhalten, Preisen und Anmeldung gibt es auf der Webseite von Doris Ossberger unter folgendem Link: https://wortklaviatur.at/aktuelles-kursangebot/

Digitaltraining für Screenreader-Nutzer:innen im Herbst

Im November leiten Doris Ossberger und Susanne Buchner-Sabathy ein Digitaltraining, das aus 4 Einheiten besteht und Ihnen das selbstbewusste Nutzen digitaler Medien erleichtert . Mehr erfahren Sie hierzu unter: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/2222/Naechste-Chance-Dabei-sein-beim-Digitaltraining-im-Herbst

Sie wissen schon alles? Andere vielleicht noch nicht. Empfehlen Sie uns gerne weiter und helfen Sie mit, das Wissen über digitale Barrierefreiheit unter die Leute zu bringen!

Kontakt

DI Doris Ossberger

E-Mail: do@wortklaviatur.at

Webseite: www.wortklaviatur.at

 

 BSVÖ: Digital ist eh genial. Mythen der Barrierefreiheit Teil 3.Mythen der Barrierefreiheit ©BSVÖ

Letzte Woche sind wir dem Mythos nachgegangen, dass Barrierefreiheit durch eine Rampe eigentlich schon erfüllt wäre und dass man blinde und sehbehinderte Menschen immer daran erkennen könnte, dass sie mit Taststock, Brille und Dreipunktschleife unterwegs sind. Diese Woche spüren wir der Aussage nach, dass alles, was digital angeboten wird, auch barrierefrei für alle zu benutzen sei…

Mythos: Digital ist eh genial

Gut, dass ein Handout auf Papier nicht barrierefrei für blinde und stark sehbehinderte Menschen ist, ist klar. Auch, dass ein gedrucktes Buch, ein Wegweiser an der Wand oder eine Überkopftafel nicht unbedingt förderlich ist. Genau so wenig wie eine rote Ampel (die keine Geräusche von sich gibt) oder ein Fahrplan hinter Glas, ein „erklärendes“ Bild oder ein Film, der nur mit Bild aber ohne Ton Informationen bieten soll. Aber nicht jeder Inhalt, der digital aufrufbar ist, ist auch wirklich barrierefrei. Tatsächlich weisen, laut einer Studie der WebAIM, die eine Million Home Pages geprüft hat, 98,1% mindestens einen Fehler auf, was die WCAG 2.0 Standards betrifft. Im Schnitt finden sich sogar 60,9 Fehler auf jeder Seite! Von wegen barrierefrei!

Fehlen sinnvolle Strukturen im Aufbau der Seite, ordentliche Beschriftungen von Verknüpfungen, Alt-Texte oder sind die Kontraste nicht genügend ausgeführt und führen Links ins Leere, so ist es vorbei mit einer barrierefreien Nutzung. Und das bedeutet, dass blinde und sehbehinderte Menschen, die Seiten nicht mit Maus und via Bildschirm sondern per Screenreader und Tastatur bedienen, schnell anstehen. Dann funktionieren Services nicht mehr, Infos können nicht eingeholt werden oder Bestellungen nicht aufgeben, Tickets nicht gebucht und womöglich Geldgeschäfte nicht anonym und selbstbestimmt durchgeführt werden.

Digital hat Potential und kann, um im Reimen zu bleiben, auch genial sein. Aber dafür müssen Inhalte und Strukturen auch barrierefrei gestaltet sein. Webseiten-Anbieter müssen sich damit auseinander setzen, was notwendig ist, um Barrierefreiheit herzustellen, um wirklich allen Nutzer:innen den Zugriff zu ermöglichen. Sonst endet die scheinbar unendliche Freiheit des  WWW in Diskriminierung…

Ihre Fragen sind gefragt!

Bestimmt haben auch Sie sich auch gefragt, wie Barrierefreiheit eigentlich funktioniert. Ob man dafür bestraft werden kann, wenn man sie nicht umsetzt. Und wer einem weiterhilft, wenn man selbst ansteht. Damit diese Fragen nicht länger unbeantwortet bleiben, geht die Wissen-Reihe „Fragen bringen Mehr-Sinn“ nun an den Start.  Nutzen Sie die Chance und schreiben Sie uns, welche Fragen Ihnen im Kopf herumschwirren – unsere Expertinnen sind Meisterinnen des Fachs und haben die Antworten gebündelt für Sie. Und keine Angst – es gibt keine dummen Fragen!

Schreiben Sie an: pr@blindenverband.at

Webinare: Digitale Medien zugänglich machen.

Susanne Buchner-Sabathy, Expertin für digitale Barrierefreiheit des BSVÖ, und Doris Ossberger, ehemalige Leiterin der Kompetenzstelle für digitale Barrierefreiheit des BSVÖ, gehen mit Ihnen Schritt für Schritt in Richtung digitaler Barrierefreiheit!

Am 10., 11. und 17. September 2024 finden drei online Workshops „Digitale Barrierefreiheit kurz und gut“, „3 Schritte zum barrierefreien PDF“ und „Mein Handy spricht mit mir: Screenreader sehend nutzen“ statt. Melden Sie sich gleich an und freuen Sie sich auf einen inspirierenden Start in den Herbst! Informationen zu Inhalten, Preisen und Anmeldung gibt es auf der Webseite von Doris Ossberger unter folgendem Link: https://wortklaviatur.at/aktuelles-kursangebot/

Digitaltraining für Screenreader-Nutzer:innen im Herbst

Im November leiten Doris Ossberger und Susanne Buchner-Sabathy ein Digitaltraining, das aus 4 Einheiten besteht und Ihnen das selbstbewusste Nutzen digitaler Medien erleichtert . Mehr erfahren Sie hierzu unter: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/2222/Naechste-Chance-Dabei-sein-beim-Digitaltraining-im-Herbst

Sie wissen schon alles? Andere vielleicht noch nicht. Empfehlen Sie uns gerne weiter und helfen Sie mit, das Wissen über digitale Barrierefreiheit unter die Leute zu bringen!

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DI Doris Ossberger

E-Mail: do@wortklaviatur.at

Webseite: www.wortklaviatur.at

 

 

 

 

 

 

 BSVÖ: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Mythen der Barrierefreiheit Teil 4.Mythen der Barrierefreiheit ©BSVÖ

Geht ein blinder Mensch ins Museum, um sich den Picasso anzusehen. Was für manche wie der Auftakt zu einem schlechten Witz klingt, ist für andere auf keinen Fall zum Lachen: ja, auch unter blinden und sehbehinderten Menschen gibt es Kunstliebhaber:innen. Und nein, Kunst ist nicht nur was für jede mit perfektem Visus.

Fühlbare Kunst

Chris liebt es, zu malen. Er sei, so sagt er, das blinde Äquivalent zu Beethoven. Der hat irgendwann nicht mehr gehört, was er komponiert, Chris hat irgendwann nicht mehr gesehen, was er malt. Aber das hält ihn nicht davon ab, ins Atelier im Wintergarten zu gehen und dort Farben auf eine Palette zu quetschen. „Wenn ich die Farben rieche, entspannt mich das schon“ , sagt Chris und führt vor, wie er – sechs Jahre nach seiner vollständigen Erblindung – heute malt. Die Farben kommen dick aus der Tube und härten zu tastbaren Strukturen auf der Leinwand aus. Zusätzlich mischt Chris verschiedene Materialien in seine Kunstwerke. Blätter, Steinchen, Flaschenverschlüsse oder auch Knöpfe hat er schon verarbeitet und ist ständig auf der Suche nach neuen Materialien. Und wenn er Zeit hat, liebt er es, ins Museum zu gehen. „Manche Freundinnen und Freunde glauben, ich spinne. Aber mir gibt es viel, zu wissen, dass ich vor einem echten Dürer oder einem Edvard Munch stehe.“

Kunst zuhören

Das Zauberwort ist wieder einmal: Teilhabe durch Mehrsinn. Taktile Modelle von eindimensionalen Bildern, ausgefeilte Audio-Guide-Beschreibungen oder Kunstvermittlung durch speziell pädagogisch geschultes Personal können den Museumsbesuch auch für blinde und sehbehinderte Menschen zum multisensionellen Abenteuer machen.

Aktiv im Museum

Nichts also mit Schweigen und kontemplativer Betrachtung der Bilder über den rein visuellen Weg. Museen, die auf Inklusion setzen, machen Tastbarkeit und Mehrsinneserfahrungen möglich, setzen auf eine umfassende Kunstvermittlung, die auch andere Menschen abholt. Chris geht deswegen gern mit seiner kleinen Nichts ins Museum. „Manchmal machen wir gemeinsam eine Führung für Kinder mit, manchmal lasse ich mir auch von ihr ein Bild beschreiben und höre mir erst später den Audioguide dazu an“, berichtet Chris.

Gerade im musealen Bereich ist eine inklusive und barrierefreie Wissens- und Kulturvermittlung essentiell. Als Einrichtungen mit Bildungsauftrag kann nur so sichergestellt sein, dass niemand der freie und selbstbestimmte Zugang zu Kunst versagt bleibt. Denn die ist bekanntlich für alle da.

 BSVÖ: Mit dem Aufzug geht’s schneller. Mythen der Barrierefreiheit Teil 5.Mythen der Barrierefreiheit ©BSVÖ

Einsteigen, Knopf drücken, ab die Post in den vierten Stock. Wenn es nur so leicht wäre! Mit dem Aufzug zu fahren kann für blinde und sehbehinderte Menschen inzwischen zum Ratespiel werden. Wo werde ich enden? Wird mir eine freundliche artifizielle Stimme das Stockwerk verraten? Und finde ich überhaupt einmal den Lift? Wir übertreiben, meinen Sie? Wir sagen nur: Touchscreens.

Design vor Funktion?

Ja, man könnte auch das Stiegenhaus nehmen und sich dort mehr oder weniger sportlich aktiv die Stufen vorzunehmen. Aber dies steht nun einmal nicht nur Diskussion, wenn es um Barrierefreiheit geht. Problematisch ist ja nicht, dass in Wohnhäusern keine Lifte vorhanden wären – in den meisten renovierten Altbauten und so gut wie allen Neubauten gibt es sie ja. Aber die Bedienbarkeit ist das rote Tuch. Denn während in alten Exemplaren noch gut tastbare Knöpfe das Stockwerk abzählen ließen oder im besten Fall auch taktile Nummern und Braille Beschriftungen für Orientierung sorgten, warten viele moderne Liftanlagen in schlankem Design nur noch mit Touchscreens auf. Und dann wird die Liftfahrt zum Abenteuer.

Doch die Stiegen nehmen?

Ob erster oder fünfter Stock lässt sich da nicht feststellen, wo das Mehrsinnesystem fehlt. Soll heißen: wenn die Stockwerke nur via Touchscreen eingeloggt werden können und jede taktile Haptik sowie das auditive Signal fehlt, kann auch das Stockwerk nur schwer ermittelt werden. Da helfen keine Bergsteigerskills und keine spontanen hellsichtigen Eingaben – fehlende Barrierefreiheit bei Liften ist ein ernstzunehmendes Problem, das beim Neubau und bei Renovierungen unbedingt mitgedacht werden muss.

Normen bitte

Der BSVÖ arbeitete deswegen lange und intensiv an der Installation einer sinnvollen Norm, was die Barrierefreiheit von Liften betrifft. So lief eine Kampagne der Europäischen Blindenunion unter der Leitung von DI Doris Ossberger, damalige Leiterin der Kompetenzstelle für Barrierefreiheit des BSVÖ zur Abwendung der Annahme einer europäischen Norm, die z.B. Touchscreens in Liften als barrierefreie Lösung erlaubt hätte.

„Sonderlösungen“ wie Ziel-Ruf-Steuerungen sollen zwar zum Ziel führen, hapern aber im Detail, wie Doris Ossberger im „Mehrsinne-Mittwoch“ schon einmal darlegte: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/1783/BSVOe-Mehrsinne-Mittwoch--Fang-den-Lift-Aufzuege-und-ihre-Tuecken-Teil-1

An die neuen Planer*innen

Und jetzt? Zu Fuß gehen?

Nein. Es wird an Lösungen geschraubt und gebastelt. Und wenn die Industrie mit neuen Ideen kommt, die sich dann doch nicht als barrierefrei herausstellen, sind Interessensvertreter*innen gefragt, auf den Plan zu treten und aufzuzeigen, woran es hapert.

Bitte also gleich mitdenken:

Lifte müssen gefunden werden, am besten mit taktilen Bodeninformationen versehen und ohne Ziel-Ruf-Schnickschnack.

Lifte müssen bedienbar sein. Durch taktile Steuerflächen oder aber andere barrierefreie Lösungen.

Lifte müssen im Mehrsinneprinzip ausgestattet sein, sonst werden sie zum großen Mysterium einer Fahrt durch Zeit und Raum.

Weiterführend

https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/1783/BSVOe-Mehrsinne-Mittwoch--Fang-den-Lift-Aufzuege-und-ihre-Tuecken-Teil-1

https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/440/Bedienbarkeit-von-Liften--Nicht-barrierefreie-Norm-abgelehn

 

 BSVÖ: Geheimnisvolle Linien. Mythen der Barrierefreiheit Teil 6.Mythen der Barrierefreiheit ©BSVÖ

Sie befinden sich auf Bahnsteigen, in öffentlichen Gebäuden, an Straßenkreuzungen oder auch ganz unvermutet auf Gehwegen; mysteriöse Linien, gleich mehrere nebeneinander. Woher kommen sie? Wohin führen sie? Und sind sie der richtige Ort, um E-Scooter, Werbetafeln oder Kinderwägen zu parken? Was es mit den Linien auf sich hat und was sich hinter dem Kürzel TBI versteckt, erfahren Sie in sechsten Teil unserer Reihe rund um Mythen der Barrierefreiheit…

Soviel dürfen wir vorab verraten: Taktile Bodeninformation (TBI) in Form von Leitlinien führt nicht bis zum Ende des Regenbogens; aber sie bringen blinde und sehbehinderte Menschen, die sich an ihnen orientieren, ihrem Ziel näher.

Wegweiser zum Tasten

So zumindest in der Praxis. Taktile Bodeninformation sollen für Barrierefreiheit und selbstbestimmte Orientierung sorgen. Sie werden dort eingesetzt, wo vorhandene Raumelemente die Funktion (Leitung oder Aufmerksamkeit und oder Warnung) nicht erfüllen können und sind in vielen Räumen als verpflichtende Elemente. Festgehalten wird diese Verpflichtung in der harmonisierten Bauvorschrift OIB Richtlinie 4. Wer es genau wissen will: Vorgaben dazu, was durch dieses Leitsystem allgemein und in Abhängigkeit von der Art der Gebäudenutzung anzubinden ist, enthalten die ÖNORM B 1600, ÖNORM B 1601, ÖNORM B 1602 und ÖNORM B 1603.

Die Wegführung durch Leitlinien hat den Sinn, blinden und sehbehinderten Menschen eine selbstbestimmte Navigation und Orientierung zu erleichtern und Räume taktil zu erschließen. Mittels Langstock oder auch durch die Fußsohlen wird die Information ertastet und so zum Wegweiser. In der Regel führen die Leitsysteme zu Orten von Interesse, etwa zu Schutzwegen, Eingängen in Gebäude oder Serviceportale, Stationen öffentlicher Verkehrsmittel oder im Inneren von Gebäuden zu Portiersstellen, Aufzügen, Informationspunkten oder weiteren Wegweisern.

Kein Parkplatz

Für wen sind Leitlinien nun da? Richtig, für Menschen, die sich an ihnen orientieren. Wofür sind sie nicht gedacht? Um als Abstellfläche für Gegenstände jeder Art zu dienen. Weder Mistkübel noch Fahrräder und schon gar keine E-Scooter haben etwas auf ihnen verloren. Und bitte geben auch Sie darauf acht, auf (womöglich überfüllten) Bahnsteigen nicht am Leitsystem zu stehen. So können Zusammenstöße vermieden werden und blinde und sehbehinderte Menschen unbeschadet an ihr Ziel kommen. In diesem Sinne: Weg frei für Leitsysteme!

BSVÖ: Pünktchen und Fingerkuppen. Mythen der Barrierefreiheit Teil 7.

Wer die Braille-Schrift beherrscht, kann mittels Fingerspitzen Informationen lesen. Das will aber erlernt sein und ist nicht jedem blinden oder sehbehinderten Menschen automatisch in die Wiege gelegt, auch wenn das von vielen vermutet wird…

Braille ist eine hochkomplexe, taktile Schrift, im Volksmund auch als „Blindenschrift“ bezeichnet. Ihren Namen hat sie von Louis Braille, der sie in jungen Jahren Anfang des 19. Jahrhunderts entwickelte und zu einem Standard der Informationsbeschaffung blinder und stark sehbehinderter Menschen machte.

Feinmotorik gefragt

Braille zu erlernen ist zwar keine Hexerei, bedarf allerdings der Übung. Um die Punktschrift tatsächlich auch entziffern zu können, ist nämlich Fingerspitzengefühl und Geduld gefragt. In Einrichtungen wie dem Bundes-Blinden Institut in Wien (BBI) wird Braille nicht nur gelernt und gelehrt; hier gibt es auch die entsprechenden Unterrichtsmaterialen. Im Braillezentrum wird man schnell fündig, wenn man auf der Suche nach Information in Braille ist: von Büchern über Zeitschriften in Braille-Schrift, tastbare Pläne, Unterrichtsmaterial bis hin zu Visitenkarten werden hier Braille-Lösungen am laufenden Band produziert.

Steinchen und Punkte

Mit den LEGO Braille Bricks© brachte der große Spielzeughändler ein Werkzeug auf den Markt, das inklusives Spielen und Lernen gemeinsam verwirklichen sollte. Zuerst exklusiv für Schulen und Bildungseinrichtungen produziert, kooperierte der BSVÖ mit LEGO und versendete die Braille-Steine an alle Bildungshäuser, die im gemeinsamen Unterricht mit den Steinen Spiel, Spaß und Lernen verbanden. Inzwischen können die Braille-Bricks von allen Interessierten käuflich erworben und ins private Lernen mit eingebunden werden.

Der BSVÖ ist mit der Brailleschriftkommission auch auf internationaler Ebene vertreten. Wer von Braille gar nicht genug bekommen kann, wird bei der Europäischen Blindenunion (EBU) schnell fündig: Tauchen Sie mit der Webseite www.livingbraille.eu der EBU in die Welt der Punkte!

Wenn Sie selbst die Brailleschrift lernen oder vertiefen wollen, so wenden Sie sich für laufende Angebote an Ihre Landesorganisation! Alle Landesorganisationen auf einen Klick finden Sie unter: www.bsv-austria.at

Für alle, die noch ein wenig in die Geschichte tauchen wollen: hier kommt der Lebensweg des Louis Braille!

Die Lous Braille Story

Am Anfang steht der Unfall

Geboren am 4. Jänner 1809 in Coupvray in Frankreich als Sohn eines Sattlers, wuchs Louis Braille mit dem Handwerk des Vaters auf. Als er sich in jungen Jahren mit einem der scharfen Werkzeuge am Auge verletzt, greift die Entzündung auch auf das andere Auge über und lässt den Buben im Alter von 5 Jahren völlig erblinden.

Die Eltern, die Louis dennoch nach Kräften förderten, zeigten sich erfinderisch dabei, dem Jungen das Lesen beizubringen: Hierfür hämmerte der Vater flachköpfige Nägel in Buchstabenform in Hölzchen. Mit zehn Jahren kommt Louis an das Royale Institut für blinde Jugendliche in Paris, wo er erstmals mit einem vom Schulleiter entwickelten Blindenschriftsystem vertraut wird. 

Später, als Louis Braille auch die von Charles Barbier zu Artilleriezwecken entwickelte Codes, die auch in kompletter Dunkelheit entziffert werden konnten, erlernt, entwickelt er mit etwa 13 Jahren sein eigenes System, in das er das bereits Bekannte einfließen lässt und das er unermüdlich überarbeitete.

Bis zum französischen König...

1834 ist er so weit, dem französischen König der Julimonarchie, Louis-Philippe I., die selbstentwickelte Methode vorzustellen. Trotz Interesses Seitens des Monarchen bleibt das System allerdings weiterhin unterschätzt und missachtet. Als Louis Braille 1852 der Tuberkulose erliegt, hat sich das Lesesystem nicht durchgesetzt.

Während Braille als exzellenter Musiker und auch als Lehrer an der Pariser Schule der Blinden durchaus geschätzt und erfolgreich war, gelingt der erste große Durchbruch seiner Methode erst sechs Jahre nach seinem Tode. Das schon zwei Jahre davor endlich von der Regierung als offiziell anerkannte Braille-System wird beim Weltkongress der Blinden als Standardsystem des Lesens und Schreibens festgelegt.

Hundert Jahre nach Braills Ableben, im Jahr 1952, werden seine sterblichen Überreste exhumiert und im Pariser Panthéon zur Ruhe gebettet. Alleine seine Hände bleiben, in Marmor verschlossen, am Friedhof von Coupvray zurück.