Ein Einkaufserlebnis der besonderen Art
Eine Situation aus dem Leben gegriffen. Hurra, ich bekomme eine neue Küche, Haushaltsgeräteshoppen steht auf der to-do-Liste!
Am Beginn des Vorhabens – Vorfreude und Euphorie. Am Schluss, ich verrate es Euch lieber gleich, Enttäuschung und Frustration.
Doch beginnen wir am Anfang.
„Was hätten Sie denn gerne?“, so der freundliche Verkäufer.
„Ich brauche alles, Kühlschrank und Geschirrspüler, Backofen und Kochfeld, und ja, bitte auch eine Mikrowelle. Und, Platz ist ja genug vorhanden, auch eine Waschmaschine. Und nicht zuletzt, ein langgehegter Wunsch, so einen tollen Kaffeevollautomaten, der alle Stückerl spielt.“
Im großen Schauraum bemerke ich sehr rasch, die Auswahl ist riesengroß. Doch die Ernüchterung folgt schneller als es mir lieb ist – das gilt aber leider nicht für mich! Nun, möglicherweise fragen Sie sich vielleicht: „warum?“
Das ist mit einem Wort erklärt. Ich bin blind und die meisten dieser Geräte sind für mich überhaupt nicht oder nur äußerst eingeschränkt bedien- bzw. nutzbar.
Display mit Sensortasten und ausschließlich visuellen Informationen, Softtouchtasten ohne Druckpunkt und ohne akustischer Rückmeldung – all das sind No-gos.
Doch eine Hoffnung gibt es noch: Drehknöpfe oder Drucktasten, bei deren Stellung man erkennt, was ich gewählt habe. „Wo, bitteschön, sind diese hingekommen?“ Ja, hier, Drehknöpfe, allerdings – diese haben keinerlei Markierung, anhand derer ich die Chance habe, zu erkennen, welche Position ich ausgewählt habe und zu guter Letzt drehen sie sich auch noch völlig durch. Und auch ich bin kurz vor dem „Durchdrehen“. Ich habe also keine Möglichkeit festzustellen, ob ich 50 oder 230 Grad eingestellt habe. „So real, so schlecht“, denke ich. „Das könnte fatal enden.“
„Und bei der Waschmaschine?“ Eine sehr ähnliche Situation. Der Verkäufer ist bereits sichtlich irritiert, dass er mir nichts Passendes anbieten kann. Auch ich habe den „Anspruch“, Gewissheit darüber zu haben, welche Waschtemperatur ich gewählt habe. Und ich möchte nach der Entnahme meines Lieblingspullovers nicht feststellen müssen, dass er nicht einmal mehr meiner 8-jährigen Nichte passt, weil ich wegen mangelnder Kontrollmöglichkeit anstatt 30 Grad 60 Grad ausgewählt habe.
Vielleicht gibt es bei der Kaffeezubereitung keine Probleme in meiner künftigen Küche. Aber, Fehlanzeige – die Tasten der Kaffeemaschine sind zwar fühlbar, doch ganz leicht verirre ich mich in den vielen Menüebenen, aus denen ich ganz bestimmt ohne fremde Hilfe nicht mehr herausfinde.
Aus diesem Grund vielleicht ein Morgen ohne Kaffee – für mich undenkbar.
Eine letzte Hoffnung liegt beim Kühlschrank, da braucht es nicht viele Einstellungen. Der Verkäufer stimmt mir zu und meint: „Hier, drei fühlbare Knöpfe, sogar mit Druckpunkt, Ein- und Ausschalten, plus und minus für die Temperatureinstellung.“
„Naja, und wie erkenne ich, welche Temperatur ich eingestellt habe?“
Pause. Seufz.
„Das... steht auf dem Display.“
Liebe Entwickler und Produzenten von Haushaltsgeräten, denken Sie daran, dass sehr viele Menschen an den vielfältigen Anwendungsmöglichkeiten moderner Haushaltsgeräte nicht teilhaben können! Und das betrifft nicht nur blinde und sehbehinderte Kunden, sondern zum Beispiel auch Menschen mit motorischen Einschränkungen und auch die sehr große Gruppe älterer Nutzer. Wir alle sind IHRE Kunden. Vielleicht denken Sie auch mit, dass auch Sie mit ziemlicher Sicherheit älter werden. Sie werden frustriert sein, wenn es Ihnen dann vielleicht ähnlich ergeht – oder Sie werden selbstbestimmt leben können, wenn nutzerfreundliche Bedienbarkeit und ein Design für alle Realität geworden ist.
Doch nun zurück ins Geschäft und gedanklich in meine künftige Küche.
Da ich eigenständig und selbstbestimmt leben möchte, reduziert sich das Angebot für mich auf wenige Produkte. Sarkastisch betrachtet, habe ich nicht einmal die Qual der Wahl. Bei manchen Geräten – so überlege ich – könnte ich vielleicht mit viel Phantasie, bestimmt aber mit erheblichem zusätzlichem Kosten- und Zeitaufwand, eine teilweise Bedienbarkeit herstellen. Aber, liebe Entwickler und Produzenten, wäre das nicht eure Aufgabe?
Vielleicht bekomme ich in meinem Leben noch einmal eine neue Küche und kann mich dann über Technik freuen, die für alle Menschen nutzbar ist.
Autorin
Margarete Waba, geboren in Oberösterreich, lebt seit vielen Jahren mit Familie in Wien, ist interessiert an unbekannten Kulturen und Ländern, liebt das Reisen mit Hilfe von Hörbüchern oder tatsächlich, kocht und isst gut und gerne, ist vielseitig interessiert und immer neugierig auf Neues, mag das kulturelle Leben in Wien und geht in der Lieblingsstadt auch gerne auf Entdeckungstouren. Bewegung in der Natur darf aber auch nicht zu kurz kommen.
Mitarbeit in verschiedenen Projekten und Arbeitsgruppen Des BSVÖ zum Thema Mobilität und Infrastruktur, aktuell auch in der internationalen Arbeitsgruppe Haushalt DACH.
Dieser Text erschien im Verbandsmagazin "Der Durchblick", 2, 2019.
Link zum Audio-File dieses Textes: https://www.blindenverband.at/media/file/320_09_Einkaufserlebnis.mp3