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BSVÖ: Pfandsystem nicht barrierefrei!

  • Pfandsystem © BSVÖ

Seit 1. Jänner 2025 gilt das Einwegpfand auf Kunststoff und Metall in Österreich. Für blinde und sehbehinderte Menschen entstehen mit dem neuen Pfandsystem neue Barrieren. Eine Planung, die Rücksicht auf alle Nutzer:innen nimmt, hätte diese Probleme zumindest teilweise vermeiden können. Jetzt ist Nachbessern gefordert.

Nachhaltigkeit im Sinne der Kreislaufwirtschaft auf der einen Seite – Barrieren auf der anderen. Was zu einer höheren Recycle-Rate bei PET-Flaschen, Dosen und Glasflaschen führen soll – bis 2027 steht das Ziel bei 90 Prozent – stellt für blinde und sehbehinderte Menschen eine neue Beschneidung der Selbstbestimmung und womöglich finanzielle Verluste dar.

„Nicht alle Menschen können am neuen Pfandsystem selbstständig partizipieren, weil es einfach nicht barrierefrei ist. Auch blinde und sehbehinderte Personen wollen zu Nachhaltigkeit und Umweltschutz beitragen. Das wird uns aber durch verschieden Barrieren massiv erschwert“, so Dr. Markus Wolf, Präsident des BSVÖ. „Es ist unverständlich, weshalb ein österreichweit neu eingeführtes System nicht auch für alle barrierefrei zugänglich gemacht wurde.“  

Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ) ist schon früh auf die Probleme aufmerksam geworden, die durch das seit 2025 geltende Pfandsystem und die neu aufgestellten Pfandrückgabestationen entstehen, und suchte den Kontakt zu Entscheidungsträger:innen. Jetzt nachzurüsten und bestehende Probleme rückgängig zu machen oder zu entschärfen, wäre mit einem enormen Mehraufwand verbunden und lässt kaum Hoffnung auf rasche Verbesserung zu.

Barrieren im neuen Pfandsystem

  • Die Kennzeichnung, die Getränkeverpackungen als Pfandprodukt ausweist, ist nicht barrierefrei lesbar. Verpackungen, die in die Pfandpflicht fallen, sind mit einem neuen Pfandsymbol markiert. Das Symbol ist nur visuell wahrnehmbar und gerade auf Dosen aufgrund der glänzenden Oberfläche nur schwer zu erkennen. Die Produkte sind nicht taktil markiert und können von blinden und schwer sehbehinderten Menschen nicht barrierefrei gelesen werden.
  • Die neuen Rückgabestationen sind nicht barrierefrei bedienbar, da ihr Steuerfeld als Touchscreen angelegt ist. Touchscreens können von blinden und stark sehbehinderten Menschen gar nicht bedient werden, da die Steuerung und Auswahl über rein visuelle Signale geleitet werden. Blinde und sehbehinderte Menschen, die ihre Pfandprodukte retournieren wollen, sind auf die Hilfe anderer angewiesen.
  • Die neuen Rückgabestationen sind nicht einheitlich gestaltet. Das liegt daran, dass unterschiedliche Unternehmen mit ihrer Herstellung beauftragt wurden. Die meisten Rückgabestationen bieten die Möglichkeit, Hilfe anzufordern. Dies aber muss über den bereits erwähnten Touchscreen angefordert werden. Für blinde und sehbehinderte Menschen stellt diese Art der Unterstützung keinen Mehrwert dar und führt dazu, dass zuerst im Markt nach Mitarbeiter:innen gesucht werden muss, bevor Pfand retourniert werden kann.   
  • Der Pfandbon wird als Papierstreifen mit Strichcode für das marktinterne Verrechnungssystem ausgegeben. Er kann an der Kassa eingelöst werden und wird von der Endsumme des Einkaufs abgezogen. Der Bon, der Auskunft über den Pfand-Gutbetrag geben soll, ist für blinde und sehbehinderte Menschen nicht barrierefrei lesbar.
  • Nicht alle Getränkeverpackungen werden auch in allen Supermarktfilialen zurückgenommen. Produkte, die vom Unternehmen nicht verkauft werden, werden auch nicht angenommen. Die Rückgabestationen informieren über die Touchscreens zwar darüber, dass eine Verpackung nicht angenommen wird. Wo das Produkt retourniert werden kann, muss aber individuell herausgefunden werden. Für blinde und sehbehinderte Menschen bedeutet das einen erheblichen Mehraufwand in Lagerung und Verwaltung von Pfandprodukten.
  • Bis Ende des Jahres 2025 dürfen noch Getränkeverpackungen verkauft werden, die aus älterer Produktion stammen und noch nicht in die Pfandpflicht fallen. Aber auch nach 2025 werden Verpackungen im Umlauf sein, die als Importprodukt nicht im österreichischen Pfandsystem retourniert werden können. Für blinde und sehbehinderte Menschen ist es nicht möglich, die Getränkeverpackungen als pfandpflichtig oder pfandfrei zu erkennen.

Alles Pfand? Nein.

Nicht alle Getränkeverpackungen fallen unter die Pfandpflicht. Ausgenommen sind  Tetrapack, Getränkeflaschen aus Glas oder Metall mit Verschlüssen oder Deckeln aus Kunststoff, Flaschen, die für Beikost und flüssige Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke bestimmt sind, sowie Flaschen für Sirupe. Ebenfalls ausgenommen sind Getränkearten von Milch und Milchmixgetränken, da hier nicht für Hygiene garantiert werden kann.

Rückgabe überall?

Generell gilt: Wo ein Getränk mit Pfand gekauft wird, muss es auch retourniert werden können. Die Rücknahmestelle muss sich auch bei Verkaufsorten, die keine eigene Pfandstation haben, in der Nähe befinden. Für blinde und sehbehinderte Menschen kann dadurch ein Ratespiel entstehen – wo kann das Pfand retourniert werden, wenn es am Getränkeautomat am Bahnsteig gekauft wurde? Oder auch: Nimmt die Supermarktkette mein Pfandprodukt zurück, oder wird ebenjene Verpackung im Markt nicht akzeptiert? Bis Ende 2025 stellt sich zusätzlich die Frage, ob das gekaufte Produkt schon als Pfand etikettiert ist, oder noch aus einer alten Charge stammt. Nicht alle Rechnungen weisen Pfand extra aus.

Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich (BSVÖ) ist mit der Planung und Organisation des neuen Pfandsystems sehr unzufrieden. Ein System, das nachhaltig und auf Jahre etabliert wird, muss alle Nutzer:innen mitdenken und darf nicht über Inklusion und Barrierefreiheit hinwegsehen. Auch blinde und sehbehinderte Menschen sind daran interessiert, ressourcenschonend zu agieren und die Umwelt zu schützen. Dies darf aber nicht zulasten der Inklusion geschehen.

Es sind nun Entscheidungsträger:innen auf Regierungsebene und auch im Handel gefordert, Wege zu finden, damit das Pfandsystem tatsächlich zu einem nachhaltigen und zukunftsweisenden Projekt wird.

Der BSVÖ steht für Gespräche zur Verfügung.

Weiterführende Links:

https://www.oesterreich.gv.at/themen/umwelt_und_klima/klima_und_umweltschutz/einwegpfandsystem.html

https://www.recycling-pfand.at/

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