BSVÖ: Du bist blind, du kannst Braille. Mythen der BarrierefreiheitTeil 16.
Mythen der Barrierefreiheit © BSVÖ
Mythen der Barrierefreiheit. Grafik eines Menschen mit Brille, Taststock und Hund, um ihn Fragezeichen. BSVÖ Logo
Wir feiern 200 Jahre Brailleschrift und lassen die Code-Schrift, die der Franzose Louis Braille als 16-Jähriger entwickelte, ein Jahr lang hochleben! Und während die Braille-Schrift ein wichtiges Werkzeug der Barrierefreiheit ist, ist sie auch von vielen Irrglauben und Mythen umgeben. Wir haben uns umgehört und jetzt ist es an der Zeit, einige Mythen zum Platzen zu bringen! Haben Sie zum Beispiel gewusst, dass alle blinden Menschen automatisch die Brailleschrift lesen können? Wir auch nicht!
Punkt für Punkt ein Kinderspiel?
Die Brailleschrift funktioniert als taktile Punktschrift so, dass sie von Menschen, die nicht mittels ihrer Sehkraft lesen können, durch Ertasten gelesen werden kann. Die Anzahl und Anordnung der Punkte, die erhaben in einem Rastersystem gedruckt sind, entspricht einem Buchstaben, einer Buchstabenanordnung, einem Symbol oder auch anderen Informationsträgern. Blinde und stark sehbehinderte Menschen können auf diese Weise auch ohne Augen lesen und Informationen einholen.
Das heißt im Umkehrschluss aber nicht, dass automatisch jeder blinde und sehbehinderte Mensch Braille decodieren kann. Die Schrift muss, wie jede andere Schrift auch, erstmals erlernt werden.
Lernbar, nicht automatisch vorhanden
Manche Menschen mit Sehbehinderungen lernen Braille schon in der Schulzeit und werden hier an die Punktschrift herangeführt, während auch ihre restlichen Lese- und Schreibfähigkeiten geschult werden.
Personen, die später im Leben eine Sehbehinderung bekommen haben oder späterblindeten, lernen Braille in Kursen erst zu einem späteren Zeitpunkt in ihrem Leben.
Unter den Späterblindeten, die erst im hohen Alter aufgrund von Erkrankung oder Unfall ihr Augenlicht verloren, gibt es aber auch viele, die Braille gar nicht mehr lernen.
Braille ist ein Werkzeug zur Barrierefreiheit, aber natürlich keine angeborene Fähigkeit, die jeder erblindete Mensch automatisch in sich trägt.
Supertaster?
Es ist auch ein gängiger Mythos, dass blinde und stark sehbehinderte Menschen aufgrund ihrer Behinderung überirdisch gut im Hören, Tasten und Schmecken wären. Natürlich sind die anderen Sinne besonders im Einsatz, wenn der Sehsinn wegfällt und natürlich schulen Menschen, die sich nicht auf den Sehsinn stützen können, ihre restlichen Sinne besonders aufmerksam. Auch müssen Strategien entwickelt werden, um sich im Alltag möglichst sicher und selbstbestimmt orientieren zu können – hierzu zählt der Einsatz der anderen Sinne in besonderem Maße.
ABER: blinde und sehbehinderte Menschen entwickeln keine Superkraft in Sachen Tasten. Das heißt auch, dass nicht jede Person die Braille-Schrift sofort und ohne Probleme lesen kann. Wie immer gilt: Üben macht die Meister:innen und eine Sensibilisierung der eigenen Fingerspitzen ist notwendig, um die Punktschrift schnell und flüssig lesen zu können.
Wer Braille lernen, üben oder verbessern möchte, kann sich bei der eigenen Landesorganisation nach Kursen informieren!
Links:
Hier geht es zu Ihrer Landesorganisation: www.bsv-austria.at