BSVÖ: Auf Frauen mit Behinderungen wird besonders Acht gegeben. Mythen der Barrierefreiheit Teil 15.
Mythen der Barrierefreiheit © BSVÖ
BSVÖ: Auf Frauen mit Behinderungen wird besonders Acht gegeben. Mythen der Barrierefreiheit Teil 15.
Türaufhalten, in den Mantel helfen, den schweren Koffer aus der Hand nehmen – wer heute noch denkt, dass Frauen als Zielobjekt starker Gentlemen auf Händen getragen werden, irrt nicht nur, sondern tappt auch in alte Klischees. Frauen sind im besonderen Ausmaß von Gewalt betroffen, das zeigen nicht zuletzt die jüngsten Zahlen. Und Frauen mit Behinderungen? Diese sind in der Regel durch Mehrfachdiskriminierung und strukturelle Benachteiligungen in noch höherem Maß Gewalt ausgesetzt.
Mit 25. November beginnen die 16 Tage gegen Gewalt an Frauen. Der Aktionszeitraum wird weltweit dazu genutzt, die Tatsache zu beleuchten, dass Frauen vermehrt Ziel von häuslicher, sexueller, körperlicher und mentaler Gewalt sind.
Die Zahlen der Frauenmorde der letzten Jahre zeigen einen steigenden Trend. Waren es 2020 noch 31 Morde an Frauen in Österreich, ist die Zahl jedes Jahr gewachsen: 2021 = 36, 2022 = 39, 2023 = 42 Morde.
Mit 15.11.2024 steht Österreich bei 24 Femiziden und 39 Fällen schwerer Gewalt.
2023 wurden 15.115 Betretungs- und Annäherungsverbote von der Polizei verhängt.
(Quelle: https://www.aoef.at/index.php/zahlen-und-daten)
Frauen mit Behinderungen sind besonders häufig Gewalt ausgesetzt. Das kann unterschiedliche Gründe haben, fehlende barrierefreie Strukturen aber tragen einen großen Teil dazu bei, dass Frauen schlechter an notwendige Informationen und Unterstützung kommen. Wenn Frauen sich aufgrund ihrer Behinderung in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Partner:innen und Institutionen befinden, kommt es häufiger zu Gewalterfahrungen auf mehreren Ebenen. Von Mobbing über körperliche Übergriffe, von mentaler bis hin zu sexueller Gewalt berichten Frauen von Behinderungen von einschneidenden Erfahrungen, die ihren Lebensalltag durchziehen.
Blinde und sehbehinderte Frauen sind von Mehrfachdiskriminierung betroffen, die sich sowohl im privaten, wie auch im öffentlichen Bereich negativ auswirkt. Frau M. erzählt, dass sie am Arbeitsplatz aufgrund ihrer Sehbehinderung von einer Kollegin so lange mental gemobbt wurde, bis sie kündigte. „Es gab keinen anderen Weg mehr und ich wusste mir nicht zu helfen. Meine Kollegin hatte die anderen Mitarbeiter und die Chefin überzeugt, dass ich schlechte Arbeit leiste und absichtlich Dokumente verändert. Das konnte ich nicht sehen, aber die anderen schon.“
Vermehrt kommt es zu Erfahrungen sexueller Übergriffe. „In einem vollen Bus zu fahren, ist oft kritisch“, berichtet Frau Magda. „Sie glauben nicht, wie oft da scheinbar zufällig eine Hand auf meinem Knie, auf meiner Hand oder Schulter oder sogar auf meiner Brust oder meinem Gesäß landet. Manchmal ist es wahrscheinlich unabsichtlich. Aber oft genug ist es pure Absicht. Den Unterschied spüre ich eindeutig.“ Frau Magda hatte nach einem besonders heftigen Erlebnis beschlossen, ihre Zeitpläne zu ändern. Das schränkt sie nun zwar ein, aber sie käme nicht mehr so oft in die Situation, von anderen übergriffig berührt zu werden. Ein Kompromiss, den sie in Kauf nehmen müsse, so die sehbehinderte Mitarbeiterin einer Anwaltskanzlei.
Barrierefreiheit allein kann die verheerenden Probleme von Gewalt an Frauen nicht lösen. Aber sie kann Strukturen für Frauen mit Behinderungen leichter zugänglich machen, die Hilfe und Unterstützung anbieten. Wenn Barrieren bestehen, kann Gewalt weniger schnell verhindert oder vermieden werden.
Der BSVÖ und seine Landesorganisationen setzen sich für den Abbau von Barrieren und für die Stärken von Frauen mit Behinderungen ein. Erkundigen Sie sich bei Ihrer Landesorganisation nach spezifischer Beratung und nach Unterstützungen: www.bsv-austria.at