BSVÖ Fokus Popkultur Blindheit im Film! Richtige Töne getroffen? Ray (2004)
Im BSVÖ-Fokus des Monats kommen wir nach dem schauerlich problematischen Horror-Film „Don’t Breathe“ und dem durchaus duften „Der Duft der Frauen“ diese Woche zu einem Independent-Film mit Schwung. „Ray“ kam 2004 in die Kinos und erzählt die Biografie des einzigartigen Musikers Ray Charles. „Ray“ wurde Preisen und Nominierungen überhäuft, aber ist der Film auch in puncto Darstellung von Blindheit oscarverdächtig?
Ray (2004)
Genre: Filmdrama; Musikfilm
Regie: Tayler Hackford, 152 Minuten, USA
Mit einem Budget von 40 Millionen Dollar spielte der Musikfilm über 124 Millionen weltweit ein und wurde zum kommerziellen und auch kritischen Erfolg.
Worum geht es
Jamie Foxx spielt Ray Charles in einem Film, der sich der bewegten Biografie des Musikers widmet. In armen Verhältnissen geboren, erblindet er im Alter von sieben Jahren. Musik spielt von Beginn an eine große Rolle im Leben des Jungen, der, früh in Kontakt mit Suchtmitteln gekommen, ein Leben der Extreme führt. Die Verfilmung basiert zu großen Teilen auf Ray Charles Biografie und kam im selben Jahr in die Kinos, als der Musiker verstarb. Er hatte vorab das Drehbuch in Braille erhalten und soweit abgesegnet, dass er mit der Filmproduktion zufrieden war.
Auszug aus dem „The Be My Eyes Podcast”: Blind Film Club: What did “Ray” do for blind people?
https://www.bemyeyes.com/podcasts/blind-film-club-what-did-ray-do-for-blind-people
Sheri Wells-Jensen:
Ich habe den Film zum ersten Mal gesehen und mich dagegen gewehrt, weil ich weiß, dass ich mich immer gegen Filme wehre, in denen eine sehende Person eine blinde Person spielt, einfach weil ich... Ich meine, das sind doch fast alle, oder? Darüber muss ich hinwegkommen, aber ich habe mich wirklich dagegen gesträubt, weil ich dachte: „Was werden sie mit dem Typen machen?“ Und so habe ich mich ihm gegenüber verteidigt, weil ich mir Sorgen gemacht habe, was mit ihm passieren würde. Er tat mir leid, einfach weil...
Will Butler:
Wollten Sie nicht Zeuge der blinden Misshandlung werden, die passieren würde?
Sheri Wells-Jensen:
Ganz genau, ja. Nachdem ich den Film gesehen hatte, habe ich mich beeilt und seine Autobiographie (Brother Ray) durchgeblättert.
Es war ein ziemlich direkter Bericht darüber, was ihm karrieremäßig passiert ist. Es war sehr karriereorientiert, aber es war sehr in seinem Stil geschrieben. Es wurde zwar von einem Ghostwriter geschrieben, aber es war ganz klar sein Stil, seine Ausdrucksweise, seine Art zu reden. Ich hatte also das Gefühl, dass er einfach über seine Karriere spricht.
Dann zögere ich auch, zu viel zu sagen, denn es ist sein Leben, und wenn es eine akkurate Darstellung dessen ist, wie dieser blinde Mann mit seiner Blindheit umgeht und sein Leben lebt, dann denkt ein Teil von mir: „Nun, okay, so hat er es gemacht, wer bin ich also, dass ich ihn in Frage stelle oder sage: ‚Nun, er hätte das tun sollen‘ oder ‚Nun, er hätte einen Stock benutzen sollen‘, ‚Nun, er hätte dies tun sollen‘ und 'Was soll das mit der Bezahlung in Singles? Come on, fold your money.'“Ich fühle mich nicht befugt, diese Kritik zu äußern, weil es sich um einen echten Menschen handelt und er es wirklich so gemacht hat.
Andrew Leland:
Ich hatte den Film schon einmal gesehen, und das, was Sheri gerade gesagt hat, war eine der wichtigsten Erkenntnisse, die ich bei der Kritik an der Darstellung von Blindheit hatte, weil es sich um eine historische Figur handelt und sie sich so sehr von unserem letzten Gespräch über „Scent of a Woman“ unterscheidet, wo es sich um eine völlig erfundene blinde Figur handelt, also denke ich, dass es viel mehr Möglichkeiten gibt zu sagen: „Was willst du über Blindheit sagen?“
[…] für mich ist es schwieriger, gegen die Darstellung anzugehen, einfach wegen des historischen Aspekts und auch nicht nur in Bezug auf die Frage, ob er einen Stock benutzt hat oder nicht, sondern auch wie Jamie Foxx, der eine Ray-Imitation macht, und das ist einfach eine ganz andere Erfahrung als zum Beispiel Al Pacino als Blinder zu sehen. Ich denke, das war interessant und hat mich auch dazu gebracht, den Film in Bezug auf die Darstellung von Blindheit leichter zu nehmen.
Fazit
„Ray“ stellt den blinden Protagonisten in den Mittelpunkt – schließlich handelt es sich um eine Biografie – und zeichnet hier das Leben einer historischen Person nach, was eine stereotype Darstellung insofern erschwert. Jamie Foxx, der für seine Rolle des Ray Charles den Oscar als bester Hauptdarsteller erhielt, soll sich im Vorfeld intensiv mit Videomaterial des Musikers auseinandergesetzt haben, um sein Verhalten, seine Bewegungen und Techniken zu studieren. Ray Charles, der in den Casting-Prozess eingebunden war, bestand darauf, Jamie Foxx persönlich kennenzulernen und mit ihm Musik zu machen. Am Set selbst drehte Foxx ohne Sicht. Dies verlief laut dem Schauspieler folgendermaßen:
„Zuerst haben wir meine Augenlider zugeklebt, das war verrückt. Die ersten paar Male habe ich hyperventiliert, aber dann haben sie es endlich richtig gemacht und die Methode von fünf Stunden auf vielleicht eine Stunde reduziert, was es einfacher machte“, sagte er einmal laut Black Film. […] Sie mussten mich festhalten, weil es so ist, als wäre ich lebendig in einem Sarg. Das war der Sinn der Sache, denn ich konnte meine Augen nicht öffnen. Selbst wenn ich die Augen öffnete, konnte ich nichts sehen, weil die Prothese das ganze Augenlid bedeckte. Es war unheimlich. Nach sechs Stunden gab es keine Menschen mehr, sondern nur noch kleine Stimmen, die herumsaßen, und alle redeten gleichzeitig, und die Leute schlugen auf Dinge ein und klopften auf Dinge, und das machte einen verrückt“, sagte Foxx.
(Quelle: https://www.cheatsheet.com/entertainment/jamie-foxx-hyperventilated-going-blind-ray.html/ )
Die intensive Vorbereitung gemeinsam mit der historischen Person, die im Film verkörpert werden sollte, trug bestimmt dazu bei, dass „Ray“ das Thema Blindheit ernst nimmt und nicht als stereotype Figurenzeichnung bedient. Ray bleibt aber in erster Linie die biografische Verfilmung eines echten Lebens und in der Darstellung der Blindheit an dem orientiert, das aus Ray Charles Biografie entstammt. Dieser wird als starker und solitärer Charakter dargestellt, der in der Blindheit auch Kreativität finden kann und seinen eigenen Weg findet. So gesehen kann der Film auch aus dem Aspekt heraus positiv wahrgenommen werden, weil er sich mit einer Persönlichkeit auseinandersetzt, die Schwarz und mit Behinderung Weltruhm erzielt. Intensiv recherchiert und auch von verschiedenen Kritiker:innen mit Sehbehinderungen tendenziell durchaus positiv besprochen, verspricht „Ray“ einen auf jeden Fall schwungvollen Filmabend.