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BSVÖ & VIDEBIS: Barrierefreie Haushaltsgeräte – wenn Nachbessern notwendig ist.

  • barrierefreie Haushaltsgeräte © BSVÖ

Wer blind oder sehbehindert ist, hat es bei der Suche nach Haushaltsgeräten meist nicht einfach. Das Angebot an barrierefreien Waschmaschinen, Geschirrspülern, Herdvarianten oder Mikrowellen ist, freundlich formuliert, bescheiden. Tatsächlich stehen blinde und sehbehinderte Menschen beim Neuerwerb von Geräten schnell vor dem Problem, dass die verfügbaren Geräte entweder gar nicht barrierefrei bedienbar sind, nur eingeschränkt bedienbar sind, aus Gründen der Dimensionierung oder des Designs nicht in die Wohnung passen oder schlichtweg den finanziellen Rahmen sprengen.

Weil die gegenwärtige Lage kaum Aussicht auf Verbesserung zulässt und sich moderne Designs immer mehr in Richtung Touchscreens und ein auf visuelle Signale gestütztes Bedienen der Geräte stützt, setzt sich der BSVÖ seit Jahren dafür ein, dass mit politischen Entscheidungsträger:innen entsprechende Richtlinien ausgehandelt werden, die Barrierefreiheit in der Planung mitdenken. Auch wird auf den Dialog mit Produktentwickler:innen und Produzent:innen gesetzt, der in der Arbeitsgruppe „Home Designed for all“, die der BSVÖ mit dem deutschen und dem schweizerischen Blindenverband gegründet hat, gesucht wird.

Was aber tun, solange das benötigte Angebot nicht vorhanden ist? Dann gilt es Lösungen zu finden, die bestehende Produkte bedienbar machen. Das ist ein wichtiger und wertvoller Zwischenschritt, der aber in der Realität nicht immer zu vollständig barrierefreien Geräten führt – und für die Nutzer:innen einen großen zusätzlichen Kostenaufwand bedeuten kann. Dann bleibt der Frust ebenso groß, wie die Exklusion von einem selbstbestimmten Alltag. Hier ist Expertise gefragt und vor allem eines: Bedarfserhebung bei denjenigen, die zum Schluss jeden Tag mit den Produkten zu tun haben.

„Die meisten Anfragen haben wir nach Herden, Waschmaschinen, Mikrowellen und Kaffeemaschinen“, summiert Christian Zehetgruber, hochgradig sehbehinderter CEO von VIDEBIS. Das österreichische Unternehmen ist als Vermittler und Lieferant assistiver Technologien österreichweit aktiv, um blinde und sehbehinderte Menschen zu beraten und mit Hilfsmitteln und Serviceleistungen rund um assistive Produkte zu versorgen  . VIDEBIS erkannte in der großen Nachfrage schnell die Notwendigkeit, den Kund:innen hier Lösungen zu bieten.

Sprechende Mikrowellen seien der Verkaufsschlager, was auch daran liegt, dass die Halbwertszeit einer Mikrowelle kürzer ist als die eines Herdes oder einer Waschmaschine, dass sie leichter zu transportieren und in der noch so kleinen Küche unterzubringen sind und dass es beim Kauf einer Mikrowelle eine andere Vorlaufszeit zu bedenken gibt, als etwa beim Kauf eines neuen Ofen und Herdes.

Aber nicht nur die Anfrage nach Mikrowellen ist groß, ganz generell sei die Anfrage nach barrierefreien Produkten gestiegen, so Christian Zehetgruber. Einerseits liegt das an einem Markt, auf dem kaum mehr Drehschalter in der Produktion eingesetzt werden. Andererseits aber liegt das auch daran, dass die Bevölkerung älter wird und im Alter Sehbehinderungen eine immer größere Rolle spielen. „Die meisten unserer Kunden sind weit über Achtzig“, sagt Christian Zehetgruber. Wenn wir es früher mit Kund:innen zu tun hatten, die 88, 89 Jahre alt waren, war das eine kleine Sensation. Heute ist unser ältester Kunde 105 Jahre alt und die Tendenz zeichnet sich klar ab.“

Das ist mit ein Grund, weshalb Christian Zehetgruber in der Verwendung smarter Technologien nicht die Lösung sieht. Die Geräte müssen für alle bedienbar sein, dafür ist der Weg über mehrere und unterschiedliche Technologien zweckgemäß.  Und selbst, wenn das Smartphone mit der Waschmaschine oder dem Herd kommuniziert, kann es zu Problemen in der Barrierefreiheit kommen, weiß Christian Zehetgruber, der hier selbst schlechte Erfahrungen gemacht hat. Er koppelte Smartphone an Backrohr – was nur in der Theorie reibungslos klappte. Unter anderem musste mehr Geld in die Hand genommen werden, um alle Icons zum Aktivieren des Backrohrs auch wirklich verfügbar zu haben. „Ich bin eher ungeduldig und möchte einfach drehen und ein Feedback haben“, fasst es Christian  Zehetgruber zusammen. „Es ist nicht immer einfach, eine Technologie im Mehrsinneprinzip zu finden, die alle Features bietet und die von jungen wie älteren Nutzer:innen gleichermaßen bedient werden kann. Und dann haben wir auch noch die Problematik, dass selbst Produkte, die für Senior:innen entwickelt sind, Barrierefreiheit nicht mitdenken. Bei vielen Seniorenhandys ist das etwa der Fall.“

Der Geschäftsführer von VIDEBIS sich aber auch an einen Abend, als er in einer fremden Küche Tee machen wollte. „Wasserkocher gab es keinen, also wollte ich einen Topf Wasser am Herd erwärmen. Ich fand ein unverständliches akustisches Signal, aber keine Knöpfe und das Wasser blieb kalt. Schließlich wurde mir erklärt, dass der Herd nur mit einem Magnetrad bedient werden kann, das auf die entsprechende Fläche gelegt werden muss. Eine an und für sich geniale Technik – doch in dieser Ausführung nicht barrierefrei.“

Am Anfang hätte VIDEBIS noch versucht, direkt über die Technikabteilung der Produkthersteller Lösungen zu erarbeiten. Daraus entstand vor einigen Jahren etwa eine Kaffeemaschine, die speziell für blinde und sehbehinderte Nutzer:innen neu geplant und produziert wurde. Nachdem alle Maschinen verkauft waren und die Bauteile ausgegangen waren, wurde aber nicht mehr nachproduziert und es wurde schnell ersichtlich, dass das Interesse der Hersteller, hier mit der Zielgruppe blinder und sehbehinderter Menschen im Kopf auf Marketing zu setzen, erschlaffte.

VIDEBIS sah den Weg schließlich darin, Geräte insofern nachgerüstet anzubieten, dass sie für blinde und sehbehinderte Menschen bedienbar werden, selbst wenn sie vom Hersteller nicht barrierefrei ausgeführt werden. Dafür wird mit Feelware zusammengearbeitet. Im Schauraum der Stilarena gibt es einen großen Überblick über diverse Modelle an Küchengeräten. Bei VIDEBIS erhalten Sie eine Beratung zum Thema Zugänglichkeit sowie assistierende Technologien im (Küchen-)Alltag.

Weshalb im Laufe der letzten Jahre der Trend von haptischen und taktilen Bedienfeldern hin zu Touchscreens und glatten Oberflächen geht, ließe sich – abgesehen von der Frage nach schlankem Design – auch aufgrund der Produktionskosten erklären. Hochwertige Schalter seien teurer als Sensorikschalter, Touchscreens günstiger und wartungsärmer. „Die Fehleranfälligkeit von Elektronik wird einfach reduziert, wenn verhindert wird, dass etwa Dampf oder Flüssigkeit ins Innere der Geräte dringen kann“, so Christian Zehetgruber.

Was kann nun also die Zukunft bringen? 

Solange die Nachfrage mit den bestehenden Produkten nicht gedeckt werden kann, vermitteln Unternehmen wie VIDEBIS Lösungen, die einen selbstbestimmten Alltag für blinde und sehbehinderte Menschen ermöglichen sollen, und beraten in Kooperation mit Entwickler:innen barrierefreier Produktadaptionen zu den notwendigen Haushaltshelfern .

Der BSVÖ wird sich  weiterhin auf allen Ebenen dafür einsetzen, dass Barrierefreiheit als Richtlinie auch den eigenen Haushalt und somit den Alltag blinder und sehbehinderter Menschen mit einbezieht. Dafür ist die Zusammenarbeit mit Entscheidungsträger:innen ebenso notwendig wie die Bereitschaft von Produktentwickler:innen, auf die Forderungen zu hören, die an sie herangetragen werden. Nur dann kann davon ausgegangen werden, dass sich potentielle Kund:innen Geräte zulegen, die sie selbstbestimmt bedienen können.

Weiterführende Links

Projektseite Barrierefreie Haushaltsgeräte BSVÖ: https://www.blindenverband.at/de/information/BarrierefreieHaushaltsgeraete

VIDEBIS: https://www.videbis.at/

 

 

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