BSVÖ: Super sicher und geheim – mobiles Bezahlen. Mythen der Barrierefreiheit, Teil 9.
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Mythen der Barrierefreiheit. Grafik eines Menschen mit Brile, Taststock und Hund, um ihn Fragezeichen.
Nie war Bezahlen so easy, heißt es. Man shoppt, an der Kassa holt man lässig das Handy, die smarte Uhr oder die Karte aus der Tasche und wups, schon ist der Zahlungsauftrag auch schon getan. Für blinde und sehbehinderte Menschen endet zwar so das lästige Herauskramen von Scheinen und Münzen, zugleich aber bedeutet es auch eines: neue und ungeahnte Barrieren.
Wisch und weg
Es geht schlichtweg um die Sicherheit des eigenen Geldes. So schnell, wie mit einem Kartenwischen bezahlt werden kann, kann auch Geld vom eigenen Konto verschwinden. Aber auch ganz ohne den Teufel an die Wand zu malen, wie es im Falle geklauter Kontozugänge auf alle Menschen – auch jene ohne Sehbehinderung – betrifft, gibt gerade in puncto Sicherheit ein großes Problem.
Pin als Sicherheitsversprechen
„So schnell kann ja nicht abgebucht werden, vor allem, wenn es um größere Beträge geht.“ So lautet ein plausibles Argument für die Sicherheit bargeldlosen Zahlens mittels Karte, Uhr oder anderen Geräten. Und ja, es stimmt natürlich, dass die Eingabe des Pin-Codes eine essentielle Sicherheitsvorkehrung ist. Aber wenn sich besagter Pin nur über einen Touchscreen eingeben lässt, ist es mit der Sicherheit schnell vorbei.
Lücke mobile Zahlterminals
In Restaurants und kleinen Unternehmen geschieht es immer öfter: Ja, Kartenzahlung ist möglich. Herangetragen wird ein kleines Kästchen, eine mobile Zahlungslösung, die von Mitarbeiter:innen bedient und dann zur Zahlungszeichnung den Kund:innen gereicht wird. Wer hier taktile Knöpfe vorfindet, kann in der Regel problemlos abschließen. Wer allerdings einen blanken Touchscreen zur Bestätigung vor sich hat, kommt schnell in die höchst kritische Situation, den Pin nicht selbst eingeben zu können und hier auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Und wer gibt schon gerne seine Daten aus der Hand? Noch dazu in Situationen, in denen man oft nicht allein ist und von anderen beobachtet werden kann? Richtig: Niemand. Dennoch werden mobile Zahlungsterminals, die nur noch aus einem sehr schlanken Design bestehen, mehr.
Problembewusstsein?
Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich steht im Austausch mit Produktanbietern von Zahlungsterminals und auch mit der WKO, um hier Lösungen zu finden. Wichtig ist vor allem, dass sich Anbieter bewusst werden, dass die Eingabe heikler Daten nicht fremdbestimmt passieren darf, sondern dass alle Nutzer:innen selbstständig handlungsfähig bleiben müssen. Nur so ist die Grundlage für persönliche Sicherheit der eigenen Finanzen gegeben.
Leider wurde in den letzten Jahren hier ein fehlendes Problembewusstsein beobachtet, das sich in Zahlungslösungen niederschlägt, die kostengünstig von Unternehmen angeschafft werden können, gleichzeitig aber zu wenige barrierefreie Features aufweisen, um für alle bedienbar zu sein. Auch das Nachdrängen kleinerer Herstellerfirmen wurde beobachtet, die sich in Konkurrenz zur Markpräsenz etablierter (und weithin barrierefreier) Unternehmen, die Zahlungsterminals anbieten, stellen. Das ist an sich eine gute Sache, denn mehr Anbieter können auch immer mehr Lösungen bedeuten. Fallen aber barrierefreie Optionen aus der Planung, weil diese angeblich zu kostspielig in der Umsetzung sind, bedeutet Markvielfalt hier tatsächlich einen Rückschritt. Deswegen ist der Dialog mit Herstellenden und der Wille auch kleiner Unternehmen notwendig, barrierefreie Lösungen konsequent einzufordern.