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BSVÖ im Fokus Barrierefreie Haushaltsgeräte! Smart Home als Lösung?

  • barrierefreie Haushaltsgeräte © BSVÖ

Im Fokusthema barrierefreie Haushaltsgeräte dreht sich alles um einen selbstbestimmten Alltag in den eigenen vier Wänden. Wer den eigenen Herd, die Waschmaschine oder auch den Geschirrspüler nicht eigenständig bedienen kann, weil die Geräte nicht barrierefrei designt sind, steht an. Digitalisierung und smarte Technologien sollen da helfen. Aber kann die Lösung des Smart Home halten, was sie verspricht? Oder kaufen sich blinde und sehbehinderte Menschen damit nur noch mehr Ärger?

Alt gegen Neu

Wenn es um smarte Technologien geht, scheinen zwei Grundhaltungen aneinander zu stoßen. Auf der einen Seite: Früher war alles besser!

Auf der anderen Seite: Der technische Fortschritt macht das Leben leichter, bequemer und sicherer.

Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen und variiert von Situation zu Situation. Gerade für blinde und sehbehinderte Menschen können neue, digitale Technologien ein Segen werden. Sie können aber auch unerwartete neue Barrieren stellen.

Das clevere Zuhause

Unter Smart Home versteht man das Zuhause, das auf unterschiedlichen Ebenen durch eines oder mehrere Steuerungssysteme vernetzt ist. Unterhaltungselektronik, Haustechnik und auch Haushaltsgeräte lassen sich aus der Ferne steuern, Prozesse und Abläufe einprogrammieren und schon vorab bestimmen. Wer will, dass die Temperatur reguliert wird und die Jalousien über Mittag herabfahren, der Briefkasten meldet, wenn sich darin Post befindet, die Futterschüssel der Katze nach mehr verlangt, wenn alles leergefressen ist oder sich Lichter wie durch Zauberhand an- und ausschalten lassen, hat mit einem modernen intelligenten System alle Möglichkeiten offen. Das Smart Home wird oft im selben Atemzug genannt wie das Internet der Dinge (zu Englisch: Internet of Things, oder kurz: IoT). Hier werden Gegenstände virtuell verknüpft, sodass sie durch Informationstechniken zusammenarbeiten können. Sicherheitswarnsysteme, intelligente Fahrräder oder auch intelligente medizinische Sensoren sind Beispiele hierfür.

Wie smart ist smart?

Für Menschen mit Behinderungen scheinen viele Vorteile auf der Hand zu liegen: Eine leichtere und niederschwellige Bedienbarkeit, die noch dazu einer zentralen Steuerung unterliegt, kann die Selbstbestimmung erhöhen. Assistive Technologien werden zu alltäglichen Helfern, die neue Zugänge und eine Nutzung von Gegenständen ermöglichen, die bis dahin hinter Barrieren lagen. Künstliche Intelligenz, die sich via Sprachsteuerung mit anderen Geräten verbindet und Befehle ausführt, kann zu einer wesentlichen Erleichterung führen. Viele blinde und sehbehinderte Nutzer:innen haben smarte Technologien inzwischen ganz selbstverständlich in ihren Alltag integriert und sind hier auch sehr offen, was Innovationen angeht. Smarte Lösungen stehen hoch im Kurs und werden ständig weiterentwickelt, womit sich auch am Markt barrierefreier Optionen einiges tut, wenn es um die Bedienbarkeit und zentrale Steuerung von Prozessen im Eigenheim geht.

Der EBU Access Cast der European Union – ein Podcast, der bis 2021 produziert wurde, beschäftigte sich regelmäßig mit neuen Technologien im Dienste der Barrierefreiheit. Alle bis dahin ausgestrahlten Folgen können unter folgendem Link nachgehört werden (Englisch): https://www.euroblind.org/publications-and-resources/ebu-podcasts#_access

Haushalt automatisiert – und dann?

Dennoch bleibt das Smart Home nicht ohne Schattenseiten. Sicherheitslücken, Stromausfälle, verlorene oder beschädigte Geräte – es braucht nicht viel, dass das System gestört wird. Und das kann weitreichende Folgen haben. Wer sich zu sehr von Technologien abhängig macht, muss in Notfällen damit rechnen, dass gleich mehrere Bereiche nicht mehr benutzbar werden, warnen Expert:innen.

Für blinde und sehbehinderte Menschen stellt sich außerdem immer die Frage der Barrierefreiheit, denn smart heißt nicht immer auch accessible. So ist auch das beste System immer nur so gut, wie seine barrierefreie Bedienbarkeit und seine Sicherheit.

Smart oder gar nicht

Die smarte, digitale Lösung soll außerdem nie die einzige Option darstellen, wenn es um Barrierefreiheit geht. Nicht alle Nutzer:innen sind bereit oder im Stande, sich mit smarten Technologien zu beschäftigen, und nicht alle möchten oder können ihren Alltag an ein Smartphone binden. Senior:innen, Menschen mit Mobilitätseinschränkungen oder all jene, die nicht die Ressourcen haben, sich mit smarten Technologien zu umgeben und auseinander zu setzen, müssen auch weiterhin auf Dienste, Services und Geräte zugreifen können, ohne auf Barrieren der Bedienbarkeit zu stoßen.

Zugang, Information und Sicherheit

Vor allem in puncto Sicherheit wird inzwischen vieles in den Bereich des Digitalen ausgelagert. Wer Bankgeschäfte abschließen will, muss Bestätigungscodes über das Handy anfordern und in den bankeigenen Apps freigeben, auch offizielle werden inzwischen digital unterzeichnet, Postsendungs-Kästchen durch das Einscannen eines Codes entsperrt und auch physische Zugänge zu Räumen durch das Smartphone freigeschaltet. Dass die Barrierefreiheit hier das Um und Auf ist, liegt auf der Hand. Dennoch lässt sie mitunter zu Wünschen übrig. Sind die digitalen Lösungen dann aber die einzigen, bedeutet das für Menschen, die noch ganz analog unterwegs sind, eine ernstzunehmende Bescheidung der Selbstbestimmtheit und Exklusion von essentiellen Abläufen und Prozessen.

Lösungen

Smarte Optionen, Künstliche Intelligenz und schlaue Algorithmen sind aus der Gegenwart nicht mehr wegzudenken und werden uns zukünftig mehr und mehr beschäftigen. Sie werden in ihrer Weiterentwicklung neue Möglichkeiten bieten, ein inklusives Miteinander zu schaffen, zu vernetzen und Prozesse zu vereinfachen. Das kann aber nur gelingen, wenn ihre Entwicklung immer auch in Abstimmung mit Voraussetzungen läuft, die es allen potentiellen Nutzenden ermöglichen, Zugriff zu erlangen. Wer in der Entwicklungsphase auf Expert:innenwissen zurückgreift, kann sicherstellen, dass das Endprodukt für eine größere Nutzer:innengruppe zugänglich ist und Diskriminierung vermeiden.
Außerdem sollen smarte Lösungen nie alternativlos angeboten werden. Nur noch auf den digitalen Weg zu setzen, schließt eine nicht unerhebliche Gruppe an Nutzenden aus und macht ein inklusives Miteinander unmöglich. Smart auf allen Linien kann, wenn gut geplant und ausgeführt, zu einem neuen und innovativen Weg werden, Zugänge zu vereinfachen. Es darf aber nicht die einzige Möglichkeit sein, den Alltag zu meistern und Angebote im Mehrsinneprinzip ersetzen.

 

Weiterführende Link

BSVÖ Fokusseite zu „Barrierefreie Haushaltsgeräte“: https://www.blindenverband.at/de/information/BarrierefreieHaushaltsgeraete/899/Folder-Barrierefreie-Haushaltsgeraete

BSVÖ Broschüre: https://www.blindenverband.at/de/information/BarrierefreieHaushaltsgeraete/899/Folder-Barrierefreie-Haushaltsgeraete

 

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