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BSVÖ: Internationaler Tag der Gebärdensprache - Was wir von der Gebärdensprache lernen können

  • Gebärdensprache © Bsvö

Am 23. September ist seit 2017 internationaler Tag der Gebärdensprache. Sie fragen sich, was das mit blinden und sehbehinderten Menschen zu tun hat? Sehr viel! Welche Rolle die Gebärdensprache für die Rechte von Menschen mit Behinderungen spielt und was wir von der ÖGS konkret lernen können, verraten wir ihnen gerne!

Manche denken, es würde Kommunikationsstopp zwischen blinden und stark sehbehinderten und zwischen gehörlosen und gehörbehinderten Menschen herrschen. Während sich die einen auf der Ebene visueller Kommunikation unterhalten, ist es bei den anderen die Ebene der Lautsprachen. Aber das ist natürlich weit gefehlt. Aber nicht nur, dass die Kommunikation auf unterschiedliche Wege ganz wunderbar klappen kann, gibt es - behindertenpolitisch gesehen - einen sehr großen gemeinsamen Nenner: Barrierefreiheit. Nur wenn diese gegeben ist, kann eine einwandfreie Kommunikation überhaupt klappen, können Informationen eingeholt und ausgetauscht werden und kann selbstbestimmt an Kultur, Politik und Gesellschaft teilgenommen werden.

Sprichst du ASL, ÖGS oder gar Auslan?

Um eine der größten Falschannahmen gleich aus dem Weg zu räumen: es gibt nicht die eine und einzige Gebärdensprache, die weltweit und standardisiert gesprochen wird. Wie auch bei Lautsprachen herrschen viele Varietäten und sogar Dialekte vor und gibt es ein breites Pool an visuell-gestischen Sprachen weltweit. Schon alleine zwischen Deutschland, der Schweiz und Österreich bestehen mehrere Gebärdensprachen, die ÖGL – Österreichische Gebärdensprache die DGS (Deutsche Gebärdensprache) und die DSGS (Deutschschweizer Gebärdensprache). Weltweit wird von über 200 verschiedenen Gebärdensprachen ausgegangen – Dialekte aber ausgenommen. Unter internationalen Gebärdensprachigen stellt sich die Frage also mit Recht: und, welche Sprache sprichst du?

Der Weg zur amtlichen Anerkennung

Der Weg, den die Österreichische Gebärdensprache hinter sich hat, ist ein langer. Als visuell-gestische Sprachen fand sie natürlich schon lange Einsatz, bevor noch von einer offiziellen Verankerung die Rede war. Als 1988 das Europäische Parlament die Anerkennung von Gebärdensprachen empfahl und die Mitgliederstaaten aufforderte, entsprechende Maßnahmen zu setzen, kamen die ersten Steine ins Rollen. Es dauerte dann aber dennoch, bis auch in Österreich die entsprechenden Schritte gesetzt wurden. Wegweisend hierfür war der Österreichische Gehörlosenbund (ÖGLB). 1996 forderte in einer Petition u.a. die Anerkennung der Gebärdensprache einschließlich dem Recht auf Gebärdensprachunterricht. Auch das Recht auf Untertitelung im TV wurde damals gefordert. 1997 ging die Petition ans Parlament, der Nationalrat entschied sich aber auch 1998 noch nicht für die Anerkennung. 2002 startete der ÖGLB eine neue Unterschriftenliste, sie wurde 2003 neu eingebracht und es erfolgte die Einrichtung eines Unterausschusses für die Anerkennung sowie einer Arbeitsgruppe. Trotz aller Bemühungen scheiterte die Anerkennung wieder – der ÖGLB blieb hartnäckig und startete 2004 mit einer Aktion einen Neuen Versuch auf Anerkennung. Am 8. März 2005 war es dann schließlich so weit – die Anerkennung war eingeleitet, am 21. Juli 2005 vom Bundesrat beschlossen mit dem Satz im Artikel 8 des Bundes Verfassungsgesetzes: „Die Österreichische Gebärdensprache ist als eigenständige Sprache anerkannt. Das Nährere bestimmen die Gesetze.“

Ab dem Schuljahr 2024/25 soll mit den neuen Lehrplänen die Möglichkeit bestehen, ÖGS in Regelschulen zu unterrichten.

ÖGS wird von rund 10.000 Menschen in Österreich gesprochen.

Anerkennung und Hürdenläufe

Obwohl die Gebärdensprache nun seit 2005 in Österreich eine anerkannte Sprache ist, ist eine Gleichsetzung zu Lautsprachen nicht immer gegeben. Der ÖGLB hält dazu fest:

Der ÖGLB setzt sich vehement für Verwirklichung konkreter und einklagbarer Sprachenrechte ein, wie zum Beispiel das Recht auf Bildung in der Muttersprache und barrierefreies Lernen. Das bedeutet: Die Österreichische Gebärdensprache muss gleichrangig mit Deutsch Unterrichtssprache werden. Gehörlose Kinder sollen in einem eigenen Fach ÖGS die höchstmögliche Kompetenz in ihrer Muttersprache erwerben, wie Kinder mit deutscher Muttersprache auch.

Und auch die Wichtigkeit von gut geschulten und ausreichenden ÖGS-Dolmetscher:innen darf nicht übersehen werden – sie stellen eine essentielle Brücke in der Kommunikation dar und sind für eine inklusive Gesellschaft, in der Selbstbestimmung für alle Gruppen groß geschrieben wird, unerlässlich.

Eine inklusive Gesellschaft fußt auf Rechten

Was können wir nun von der ÖGS lernen?

Dass Inklusion immer im Mehrsinne-Prinzip gedacht werden soll. Es reicht nicht, barrierefreie Lösungen nur für eine bestimmte Gruppe anzupassen und andere außen vor zu lassen. Universelles Design und Lösungen, die allen Nutzer:innen eine barrierefreie und niederschwellige Teilhabe ermöglichen sind der Schlüssel zur inklusiven Gesellschaft und zur Chancengleichheit.

Wir lernen aber auch, dass hinter jedem Fortschritt in puncto Barrierefreiheit eine Gruppe an aktiven und unermüdlichen Menschen steht, die sich oft jahrelang und allen Widrigkeiten und Rückschlägen zum Trotz dafür einsetzt, dass Forderungen gesellschaftlich und von Entscheidungsträger:innen wahrgenommen und ihre Relevanz erkannt wird. Jeder Menschen – egal aus welchem Interessensbereich – der sich für Barrierefreiheit und Inklusion einsetzt und die eigene Stimmen wahrnehmbar macht, ist ein wichtiges Zahnrad im Motor, der für die Umsetzungen von Forderungen und die Etablierung von Rechten von Menschen mit Behinderungen läuft.

Dass der Aktivismus von Expert:innen, Betroffenen, Einzelnen, Interessenvertretergruppen, Selbsthilfeorganisationen und vielen mehr (nach wie vor) notwendig ist, damit Maßnahmen eingeleitet werden, die bestehende Situationen verbessern sollen.

Dass eine gesetzliche Verankerung für die Wahrung und Sicherung von Rechten notwendig ist – Rechtsanspruch ist hier das Schlagwort.

Der BSVÖ nimmt den internationalen Tag der Gebärdensprache also zum Anlass, Vielfalt in Österreich und natürlich auch weltweit hochzuhalten und einmal mehr daran zu erinnern, dass eine faire und inklusive Gesellschaft nur dann möglich ist, wenn allen Mitgliedern mit Respekt begegnet wird und durch geeignete, nachhaltige und zielführene Maßnahmen ein chancengleiches Miteinander ermöglicht wird.  

   

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