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BSVÖ Fokus Sprache! Über Sprachbrücken. Ein Erlebnisbericht.

  • Fokus Sprache © BSVÖ

Dr. Susanne Buchner-Sabathy über Sprachfreuden, vertrauenswürdige Wörterbücher und den Mut, Träume zu verfolgen.

Folgender Beitrag entstammt der Ausgabe des Verbandsmagazins „Der Durchblick“. Den gesamten Bericht zum Nachhören finden Sie unter: https://www.blindenverband.at/de/information/durchblick/archiv/2059/Der-Durchblick-2023

In einem römischen Gastgarten zu sitzen und auf Italienisch das Abendessen bestellen, stundenlange Gespräche mit der Urlaubsbekanntschaft aus Argentinien führen, sich in die Schönheit persischer Dichtungen im Originalton vertiefen oder eine wasserfeste Geschäftsverhandlung mit internationalen Partner:innen führen…wer Fremdsprachen gelernt hat, ist klar im Vorteil. Aber eine andere Sprache lernt sich nicht von allein! Da heißt es: Grammatik und Vokabeln pauken, an der Aussprache feilen, die korrekte Rechtschreibung lernen und üben, üben, üben!

Wie aber kann man als blinder oder sehbehinderter Mensch das Fremdsprachenlernen am besten angehen? Welche Herausforderungen sitzen zwischen komplizierten Fallendungen und unregelmäßigen Verben? Und welche Hilfsmittel hält heutzutage die digitale Welt zum Spracherwerb bereit?

Dr. Susanne Buchner-Sabathy, sprachaffine Expertin für digitale Barrierefreiheit und studierte Übersetzerin aus gleich mehreren Sprachen, hat mit dem Durchblick darüber gesprochen und einige Überraschungen für uns parat!

Und was heißt das jetzt auf Deutsch?

Als Schülerin lernte Buchner-Sabathy die klassischen Drei: Englisch, Französisch und Latein. Später kamen dann noch Spanisch dazu, außerdem vertiefte sie ihre Französischkenntnisse und schloss als akademisch geprüfte Übersetzerin an einer universitären Grazer Einrichtung eine einschlägige Ausbildung ab. Übersetzen, also Über-Setzen, bedeutet, eine Sprache schriftlich in eine andere zu übertragen. Passiert der Sprachtausch mündlich, so ist vom Dolmetschen die Rede; etwas, das Buchner-Sabathy nicht so sehr an der Mehrsprachigkeit gereizt hat. „Vor allem Synchrondolmetschen ist wahnsinnig stressig“, sagt sie. „Ich brauche Zeit zum Nachrgübeln und mag es sehr, an der Sprache zu feilen.“

Wie wichtig es ist, nicht nur die Fremdsprache, sondern auch die eigene Muttersprache besonders gut zu beherrschen, fällt spätestens bei der ersten genauen Übersetzung auf. Diese verfasste Buchner-Sabathy, die heute unter anderem als selbstständige Übersetzerin Fachtexte aus dem Englischen, Französischem, Spanischem und Portugiesischen überträgt, erst später in ihrer Laufbahn.

Mit der Lupe der Sprache nachspüren

Zuvor aber stand noch eine Ausbildung an der Uni Graz an. Dort studierte sie Sprachwissenschaften und Romanistik und promovierte schließlich in der Soziolinguistik, ging dann für drei Jahre nach Polen, um am Germanistikinstitut von Poznań Österreichische Literatur und Deutsch als Fremdsprache zu unterrichten. Es folgte der Wechsel nach Wien an die Akademie der Wissenschaften und die Mitarbeit an einem Wörterbuchprojekt.

„Ich hatte schon damals eine schwere Sehbehinderung, aber nur mit der Lupe gearbeitet. Es hätte zwar auch andere Hilfsmittel gegeben, aber von denen habe ich nichts gewusst. Als ich von Polen zurückkam, gab es auf einmal das Internet“, erinnert sich Buchner-Sabathy lächeln. „Ab da konnte ich mit Vergrößerungssoftwares arbeiten. Das war auch die Zeit, als ich begonnen habe, mich mit HTML zu beschäftigen.“

Anfang der 2000er Jahre konnte man mit elektronischen Texten nach und nach Dinge tun, die auf Papier nicht möglich waren. „Allein die Option der Verlinkungen machte vieles einfacher! Kein Nachblättern mehr bei Begriffen mit Index-Verlinkung! Das war eine große Zeitersparnis!“

Mit dem Wachsen und der Weiterentwicklung des Internets, stiegen auch die Ansprüche an seine Barrierefreiheit. „Damals waren die Webseiten noch von Buchlayout geprägt“, erzählt Susanne Buchner-Sabathy. „Es wurde von der Entwickler:innenseite davon ausgegangen, dass alles aussehen müsse wie ein Buch oder ein Folder, am besten in 9 Punkt Schrift. Erst die Idee des responsiven Designs hat dann neue Möglichkeiten aufgemacht.“

Als Susanne Buchner-Sabathy vollständig erblindete, hatte der damalige Arbeitgeber keine Ahnung, wie er mit der Situation umgehen solle. Ein Scheidepunkt. Denn Buchner-Sabathy hatte schon lange den Traum mit sich herumgetragen, als selbstständige Übersetzerin Fuß zu fassen. Gleichzeitig bedeutete es eine große Umstellung und auch viele Unsicherheiten, das Umfeld der nichtselbstständigen Tätigkeiten zu verlassen. „Ich wollte es trotzdem probieren und es hätte misslingen können. Aber die Vorstellung mit einem Traum alt zu werden, an den man sich nicht herangetraut hat, die gefiel mir nicht.“

Ein mutiger Entschluss und viele neue Freuden

So schrieb die erblindete Sprachbegeisterte schließlich Museen an um ihre Übersetzungstätigkeiten im Bereich der Katalogstexte anzubieten. Tatsächlich ergaben sich erste Projekte und es folgte die Zusammenarbeit mit renommierten Museen wie dem MUMOK, dem Wien Museum, der Kunsthalle Dornbirn und auch Museen in Deutschland.

Später kam sie in einen neuen Fachbereich und übersetzte für die Europäische Psychoanalytische Föderation (EPF). Waren Fachbegriffe unklar, stimmte sie sich mit befreundeten Expert:innen oder den Autor:innen ab, woraus sich wieder neue Projekte ergaben.

In Kooperation mit einem Französisch-Deutschen Verlag ergab sich zudem die Arbeit an biografischen und historischen Übersetzungsprojekten, was wieder neue Herausforderungen mit sich brachte.

 

Sprach-Barrieren

Wie aber gelang es der blinden Sprachexpertin möglichst effektiv mit verschiedenen Sprachen und Texten zu jonglieren und die Übersicht zu behalten?

Manchmal begann das Problem schon beim Ausgangstext: „Es kam vor, dass ich den Text nicht als PDF erhielt, sondern als gedrucktes Buch.“ Aber auch dafür hatten sie und ihr Mann schon eine Strategie entwickelt: „Wir haben das Buch auseinandergenommen und die Seiten eingescannt!“ Ein findiger Ausweg – dennoch hätte es einen bedeutend geringeren Aufwand ausgemacht, von Anfang an mit einem barrierefreien Dokument arbeiten zu können.

Die richtigen Wörter finden

Auch wenn man eine Sprache fließend beherrscht, kommt es hin und wieder vor: da steht ein Wort, das unbekannt ist. Dann heißt es: Nachschlagen! Und wenn man nicht auf dicke Wörterbuchwälzer im Regal zurückgreifen kann oder möchte, stehen die helfenden Wörterbücher heutzutage digital zur Verfügung.

Aber Vorsicht! Denn auch hier heißt es wieder: sind die digitalen Werke auch wirklich zugänglich? Und kann man auf ihren Inhalt vertrauen?

 „Ich versuche, im Internet keine freien Wörterbücher wie Leo zu verwenden. Ich will redaktionelle Sicherheit haben“, hält Buchner-Sabarthy fest. Und die Barrierefreiheit? „Die Langenscheidt-Webseite ist nicht perfekt, aber mit Überschriften und Seitenbereichen recht gut navigierbar. Bei der PONS-Webseite kommt es schon eher zu Problemen, hier fällt die Navigation eher mühsam aus, obwohl sie inhaltich sehr gut ist.“ Lösungen bieten aber oft mobile Applikationen. „Von PONS etwa gibt es eine APP, die einigermaßen gut bedienbar ist. Mit Werbung bekommt man sie sogar gratis – ohne Werbung ist sie zahlungspflichtig.“

Fassen und formen

Wenn Susanne Buchner-Sabathy mit der eigentlichen Übersetzungsarbeit beginnt, taucht sie tief in einen kreativen aber auch sehr konzentrierten Prozess ein. Den fremdsprachigen Text speichert sie hierfür auf einem Braille-Organizer, dem pronto18, und lässt ihn sich hier über die Sprachausgabe vorlesen. Simultan überträgt sie ihn am PC ins Deutsche. Steht der Rohtext so weit, beginnt die Arbeit an der Übersetzung. Und auch hier spielt der Screenreader wieder eine große Rolle: indem sie sich den Text von verschiedenen deutschen Stimmen vorlesen lässt, fällt es ihr leicht zu erkennen, wo es noch sprachlich holpert. „Das ist für mich sehr hilfreich, weil ich so den Textfluss besser beurteilen kann. Wenn ich den Text allein auf der Braillezeile lese, dann habe ich ständig meine eigene Stimme im Ohr. Ich weiß ja, was ich gemeint habe, als ich den Text geschrieben habe.“ Bis Susanne Buchner-Sabathy die Übersetzung zufrieden ablegt, ist es aber noch ein weiter Weg. Kontrollieren, Liegenlassen, auf’s Neue lesen. All das ist notwendige Arbeit, die zu einem guten Ergebnis führt und für die der Screenreader und die Braille-Zeile unerlässlich sind. Aber Susanne Buchner-Sabathy macht die Arbeit große Freude. „Es kommt mir immer so vor, als wäre der Text eine Substanz, eine Skulptur, etwas, was ich mit Händen fassen und formen kann.“

Verstehen Sie mich?

Für diejenigen, die eine neue Sprache lernen wollen, gibt es inzwischen auch Hilfsmittel im Internet. Sprachlern-Apps wie Duo-Lingo, die recht gut zu bedienen sind, ermöglichen eine Basis für das Selbststudium. Natürlich kann man sonst immer auf das breite Angebot von Sprachkursen mit Lehrpersonal zurückgreifen. Aber auch hier gilt: das Lehrmaterial muss zugänglich sein, sonst klappt’s nicht mit dem Fremdsprachenerwerb. Susanne Buchner-Sabathy, die selbst in der Landesorganisation BSV Wien, Niederösterreich und Burgenland Sprachkurse in Französisch und Englisch für blinde, sehbehinderte und „normalsichtige“ Menschen angeboten hat, weiß, wie aufwendig es ist, das Lehrmaterial für alle inklusiv anzubieten. Braille, Großschrift und Normaldruck sollte es im Angebot geben. Für Späterblindete, die Braille nicht erlernt haben, sind Audio-Files oft die besten Unterlagen. Leider bieten viele Sprachkurse keinen barrierefreien Zugang zu ihrem Lernmaterial. „Es wäre wichtig, dass Volkshochschulen und andere Institute hier sensibler vorgehen, und Inklusion mitdenken.“

Vor allem Braille hat für Susanne Buchner-Sabathy einen hohen Stellenwert beim Spracherwerb. Sowohl gedruckte Unterlagen als auch die Arbeit mit der Braille-Zeile erleichtern das Lernen ungemein. Obacht sei nur geboten, was die Kurzschrift angeht: besser wäre es laut Expertin, bei gemischtsprachigen Texten die Computerbrailleschrift zu verwenden, wo es für jedes Zeichen ein Zeichen als Entsprechung gibt und keine Kürzungen. Doppellaute und Lauteinheiten würden sonst irreführend dargestellt werden.

Lernen lernen

Hat die Sprachexpertin sonst noch Tipps zum Erlenen von Fremdsprachen?

„Wenn jemand erblindet ist und eine Fremdsprache lernen möchte, ist es immer eine schöne Variante, sprachbegeisterte Partner:innen zu suchen und es gemeinsam anzugehen. Natürlich kann man sich auch Lehrbücher aufbereiten lassen und oder auf barrierefreies Druckmaterial zurückgreifen. Ich würde mich auch im Internet umschauen, welche Ressourcen es hier gibt und welche Apps einem besonders liegen. Wie gesagt wäre es aber notwendig, dass diejenigen, die auf Volkshochschulen Sprachen unterrichten stärker darauf sensibilisiert werden, was es bedeutet mit Blindheit oder Sehbehinderung eine Sprache zu lernen. Sie müssen ohne großen Mehraufwand gute Möglichkeiten haben, Unterlagen barrierefrei aufbereiten zu lassen.“

Außerdem heißt es: dranbleiben und nur nicht den Mut verlieren. Das Erlenen von Fremdsprachen ist ein Prozess, der nicht endet und mit dem man sich immer wieder beschäftigen muss, damit nicht wieder alles vergessen wird. Aber wer sich tiefer in eine fremde Sprache vorwagt, öffnet dabei viele Türen.

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