BSVÖ: Mit dem Aufzug geht’s schneller. Mythen der Barrierefreiheit Teil 5.
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Mythen der Barrierefreiheit. Grafik eines Menschen mit Brile, Taststock und Hund, um ihn Fragezeichen.
Einsteigen, Knopf drücken, ab die Post in den vierten Stock. Wenn es nur so leicht wäre! Mit dem Aufzug zu fahren kann für blinde und sehbehinderte Menschen inzwischen zum Ratespiel werden. Wo werde ich enden? Wird mir eine freundliche artifizielle Stimme das Stockwerk verraten? Und finde ich überhaupt einmal den Lift? Wir übertreiben, meinen Sie? Wir sagen nur: Touchscreens.
Design vor Funktion?
Ja, man könnte auch das Stiegenhaus nehmen und sich dort mehr oder weniger sportlich aktiv die Stufen vorzunehmen. Aber dies steht nun einmal nicht nur Diskussion, wenn es um Barrierefreiheit geht. Problematisch ist ja nicht, dass in Wohnhäusern keine Lifte vorhanden wären – in den meisten renovierten Altbauten und so gut wie allen Neubauten gibt es sie ja. Aber die Bedienbarkeit ist das rote Tuch. Denn während in alten Exemplaren noch gut tastbare Knöpfe das Stockwerk abzählen ließen oder im besten Fall auch taktile Nummern und Braille Beschriftungen für Orientierung sorgten, warten viele moderne Liftanlagen in schlankem Design nur noch mit Touchscreens auf. Und dann wird die Liftfahrt zum Abenteuer.
Doch die Stiegen nehmen?
Ob erster oder fünfter Stock lässt sich da nicht feststellen, wo das Mehrsinnesystem fehlt. Soll heißen: wenn die Stockwerke nur via Touchscreen eingeloggt werden können und jede taktile Haptik sowie das auditive Signal fehlt, kann auch das Stockwerk nur schwer ermittelt werden. Da helfen keine Bergsteigerskills und keine spontanen hellsichtigen Eingaben – fehlende Barrierefreiheit bei Liften ist ein ernstzunehmendes Problem, das beim Neubau und bei Renovierungen unbedingt mitgedacht werden muss.
Normen bitte
Der BSVÖ arbeitete deswegen lange und intensiv an der Installation einer sinnvollen Norm, was die Barrierefreiheit von Liften betrifft. So lief eine Kampagne der Europäischen Blindenunion unter der Leitung von DI Doris Ossberger, damalige Leiterin der Kompetenzstelle für Barrierefreiheit des BSVÖ zur Abwendung der Annahme einer europäischen Norm, die z.B. Touchscreens in Liften als barrierefreie Lösung erlaubt hätte.
„Sonderlösungen“ wie Ziel-Ruf-Steuerungen sollen zwar zum Ziel führen, hapern aber im Detail, wie Doris Ossberger im „Mehrsinne-Mittwoch“ schon einmal darlegte: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/1783/BSVOe-Mehrsinne-Mittwoch--Fang-den-Lift-Aufzuege-und-ihre-Tuecken-Teil-1
An die neuen Planer*innen
Und jetzt? Zu Fuß gehen?
Nein. Es wird an Lösungen geschraubt und gebastelt. Und wenn die Industrie mit neuen Ideen kommt, die sich dann doch nicht als barrierefrei herausstellen, sind Interessensvertreter*innen gefragt, auf den Plan zu treten und aufzuzeigen, woran es hapert.
Bitte also gleich mitdenken:
Lifte müssen gefunden werden, am besten mit taktilen Bodeninformationen versehen und ohne Ziel-Ruf-Schnickschnack.
Lifte müssen bedienbar sein. Durch taktile Steuerflächen oder aber andere barrierefreie Lösungen.
Lifte müssen im Mehrsinneprinzip ausgestattet sein, sonst werden sie zum großen Mysterium einer Fahrt durch Zeit und Raum.
Weiterführend