BSVÖ Fokus Sprache! Blinde Wut oder blind vor Liebe?
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Text: BSVÖ Fokus Sprache! Blinde Wut oder blind vor Liebe? Grafik eines sprechenden Menschen
Sie schleichen sich ganz selbstverständlich in den Sprachgebrauch und sind zur Stelle, ohne dass wir viel drüber nachdenken müssen: dann tobt der Mann blind vor Wut hinter dem Steuer oder die Kollegin wird gefragt, ob sie taub sei, weil sie das Telefon nicht gleich abnimmt. Dass sich ähnliche Formulierungen auch in Literatur und journalistischen Texten finden, macht die Sache nicht leichter…
Letzte Woche haben wir uns angesehen, was sensibles Wording bedeutet und wie vermieden werden kann, dass von tragischen Schicksalen der Opfer einer Behinderung die Rede ist, wenn das Leben eines Menschen mit Behinderung beschrieben werden soll. Aber was, wenn Floskeln in Bezug auf Behinderungen in die Sprache schlüpfen, ohne dass es im eigentlichen Sinne um Menschen mit Behinderungen geht? Dann ist ein aufmerksamer Sprachgebraucht gefragt.
Das sieht sogar ein Blinder mit Krückstock…
In der Volksschule wird man für die Verwendung von Floskeln noch oft gelobt, weil sie einen größeren Wortschatz bedeuten. Später aber ist es ratsam, Floskeln nicht unbedacht herauszusprudeln, sondern neue Formulieren bewusst zu setzen. Noch dazu, wenn sie abwertend und unbedacht beleidigend sind. Man ist nicht „blind“, nur weil man den Autoschlüssel nicht findet, ist nicht schizophren, nur weil man Stimmungsschwankungen erlebt. Liebe macht nicht wirklich blind, von Wut erblinden kann man ebensowenig. Die Verbindung von „blind“ mit defizitär wird besonders deutlich, wenn etwa von „blindlings“ die Rede ist. Wer blindlings in eine Situation geht, ist unvorbereitet und zum Scheitern verurteilt, wer jemanden blindes Vertrauen entgegen bringt, leider ein naiver Mensch, der draufzahlen wird.
Das können Sie besser
Und ja, blinde Hühner finden vielleicht ein Korn…wir sind uns aber sicher, dass Sie bessere Formulierungen parat haben!
Einfach nur beleidigend
„Das ist ja voll behindert“ – ein Satz, der nach wie vor als eindeutiges Negativurteil gefällt wird und erschreckenderweise immer noch die Runde macht. Ebenso hartnäckig hält sich die Bezeichnung von Menschen als „Spastis“, „Mongos“ oder „Krüppel“, die eindeutig wertend Verwendung findet. Wer unbedingt andere beleidigen will, könnte sich überlegen, in seiner Formulierung kreativer zu werden. Und bitte Menschen mit Behinderungen aus der Sache herauszulassen, denn das ist schlichtweg unreflektiert, diskriminierend und unangebracht. Damit Ideenlose nicht auf dem Trockenen sitzen, empfiehlt sich zum Beispiel „Das große Wörterbuch des Wienerischen“, hier findet sich ein großer Schatz an Dialektblüten, die mehr oder weniger offensichtlich zum Frustablassen geeignet sind. Allen, die mit dem Wienerischen nicht zurecht kommen hier ein Link zum Aufruf zum kreativen Fluchen: https://www.blick.ch/life/wissen/menschen/fuck-shit-scheisse-verdammt-seien-sie-kreativer-beim-fluchen-id8766198.html
Weiterführend
Behindertenrat Sensibler Sprachgebrauch Leitfaden: https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://www.behindertenrat.at/wp-content/uploads/2017/11/Infos_Sprachgebrauch_Wording.pdf&ved=2ahUKEwja59uoi72IAxVcxQIHHe4bBEgQFnoECB4QAQ&usg=AOvVaw2th85J92IjQjy4FfK6Lsre
Wörterbuch des Wienerischen: https://www.uvw.at/produkt/6800/das-grosse-woerterbuch-des-wienerischen/
Kreativ fluchen: https://www.blick.ch/life/wissen/menschen/fuck-shit-scheisse-verdammt-seien-sie-kreativer-beim-fluchen-id8766198.html