BSVÖ Fokus Sprache! Behindert sagt man nicht? Inklusives Wording.
Fokus Sprache © BSVÖ
Text: BSVÖ Fokus Sprache! Behindert sagt man nicht? Inklusives Wording. Grafik eines sprechenden Menschen
Im Fokusthema des Monats September achten wir ganz besonders auf das, was uns täglich umgibt, unser Denken beeinflusst und uns selbst so alles über die Lippen kommt: Die Sprache. Worte schaffen Wirklichkeit – darum lohnt es sich, sie in den Fokus zu stellen. Dabei werden wir uns genauer ansehen, was sensibles Wording alles umfasst, warum Fettnäpfchen nicht immer vermieden werden müssen, was gängige Idiome mit Vorurteilen zu tun haben und wie es ist, blind eine Fremdsprache zu lernen…
Opfer und Held:innen
„Der Mann ist Opfer seiner Behinderung und an den Rollstuhl gefesselt“ – eine derartige Formulierung stößt vielen Lesenden negativ aufstößt. Dennoch sind solche und ähnliche Stilblüten weiterhin zu lesen, wenn unbedacht über Menschen mit Behinderungen geschrieben oder gesprochen wird. Das hat einerseits damit zu tun, dass gängige Formulierungen gerne übernommen und weitergeschleppt werden, andererseits liegt es aber auch an einer zweiseitigen Repräsentation von Menschen mit Behinderungen, die sich seit Jahrzehnten hält. Entweder findet sich die Darstellung des armen, unselbstständigen Opfers der Behinderung oder aber der mutige Superheld, der trotz der Behinderung für sein Tun gelobt werden muss.
Kennen Sie das?
Folgende Sätze geistern in diesem Zusammenhang weiterhin gern durch die Texte: „Ein schlimmer Schicksalsschlag führte dazu, dass die Frau an den Rollstuhl gefesselt wurde“, „Er ist Opfer seiner Krankheit“, „Der Behinderte hat einen tragischen Lebensalltag“. „Die Familie tut ihren Nachbar und allen im Ort leid, weil sie mit den Bürden eines behinderten Kindes umgehen müssen.“
Menschen mit Behinderungen über ihre Behinderung als Opfer zu definieren, ist ebenso bedenklich, wie sie aufgrund ihrer Behinderung auf einen besonderen Sockel zu stellen. Gerade im Zusammenhang mit sportlichen Leistungen geschieht dies oft. „Ein mutiger junger Mann“ ist dann ein blinder Junge, der seinem Lebensalltag nachgeht, „Eine kleine Heldin“, das Mädchen, das trotz Sehbehinderung mit ihren Freundinnen an einem karitativen Projekt arbeitet. Unbedachte Superlative wie diese verwaschen den objektiven Blick auf ein Leben mit Behinderungen und auf die gesellschaftlichen Barrieren, die weiterhin existieren.
Das ist ja nicht normal…
Auch wenn Behinderungen gesellschaftlich oft als Abweichung einer richtigen Norm gewertet werden, ist die Verwendung von „normal“ keine Lösung zur Differenzierung. Was würde der Satz: „In der Gruppe spielen fünf Kinder, ein blindes und vier normale“ genau aussagen? Dass die anderen Kinder keine Sehbehinderung haben? Oder dass sie für ihr Alter der Durchschnittsgröße entsprechen? Wenn unterschieden werden muss, dann bitte ohne „normal“ als Messlatte zu verwenden! Besser wäre es, zu überlegen ob der Unterschied relevant ist und dann mit dem richtigen Wording hinzuweisen.
Man darf ja nichts mehr sagen…
Stimmt nicht! Auch wenn sich einige durch Vorgaben sinnvoller Wording-Standards in ihrer Redefreiheit beschränkt fühlen – im Sinne eines respektvollen Miteinanders sollten alle daran interessiert sein, auf die eigene Sprache achtzugeben. Welche Worte als kritisch gelten und nicht mehr verwendet werden sollten und welche Alternative es gibt, kann man lernen. Wer sich aufmerksam umhört, wird auch schon bemerkt haben, dass hier ein ständiger Wandel vor sich geht. Manches, das vor Jahren noch gängig war, ist heute als herabwürdigend nicht mehr aktuell. Und manche Begriffe werden von Menschen mit Behinderungen wieder für dich erobert. Um up-to-date zu bleiben, lohnt es sich, einen Blick auf Wording-Listen verschiedener Behindertenorganisationen zu werfen, Texte zu lesen, die von Menschen aus der Szene verfasst wurden und vor allem mit Menschen mit Behinderungen direkt zu kommunizieren. Wer was sagen darf und welche Begriffe über Bord gehen sollen, muss von jenen bestimmt werden, die damit bezeichnet werden. Denn auch hier greift das Motto: nichts über uns ohne uns.
Weiterführende Links:
Österreichischer Behindertenrat: https://www.google.com/url?sa=t&source=web&rct=j&opi=89978449&url=https://www.behindertenrat.at/wp-content/uploads/2017/11/Infos_Sprachgebrauch_Wording.pdf&ved=2ahUKEwiS9r-0rY2IAxX6hf0HHbG3NJ0QFnoECBgQAQ&usg=AOvVaw2th85J92IjQjy4FfK6Lsre
My Ability Wording: https://www.myability.org/wissen/inklusion-unternehmen/erfolgsfaktoren/inklusives-wording
Arbeiterwohlfahrt: https://demokratie.awo.org/demokratie-vor-ort/aktuelles-awo-demokratiepraxis/informationen-ueber-diskriminierungssensible-sprache-und-behinderung/