BSVÖ: Shopping-Frust statt Shopping-Lust? Wenn Webshops zur Qual werden
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BSVÖ: Shopping-Frust statt Shopping-Lust? Wenn Webshops zur Qual werden. Logo BSVÖ. Grafik eines Menschen, der sich über seinen PC ärgert
Heutzutage ist Einkaufen so einfach wie nie zuvor. Sollte man zumindest meinen, zieht man Plattformen wie Amazon, Willhaben oder Temu in Betracht. Dort gibt es nichts, das es nicht gibt – und das somit auch gekauft werden kann. Aber auch kleinere lokale Unternehmen, Theater, Museen, oder Verkehrsbetriebe bieten ihre Produkte über Webshops an. War früher der Weg ins Geschäft noch notwendig, um an die gewünschte Ware zu kommen, kann heute alles bequem per Mausklick bestellt werden – so zumindest in der Theorie. Für blinde und sehbehinderte Menschen wird das Online-Shopping leider schnell zum Shopping-Desaster, wenn Barrierefreiheit nicht gegeben ist.
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Gerti K. ist böse auf das "Kastel". Auch wenn sie weiß, dass ihr Heim-PC nicht das Problem ist, bekommt dieser nun ihre Wut ab. „Nichts funktioniert!“, beschwert sich die Mittfünfzigerin, die seit einer Augenerkrankung vor rund zehn Jahren blind ist. Eben wollte sie für eine deutsche Freundin eine Tasse mit Wien-Motiv bestellen und war hierzu auf die Webseite eines Händlers gegangen, von dem sie schon einige Male im Geschäft gekauft hat. Der Bestellprozess ging bis zum letzten Punkt glatt. Dann aber konnte sie nicht abschließen, denn sie konnte weder das Kästchen zum Datenschutz noch zu den AGBs per Tastatur abhaken. „Sehende Menschen können die Kästchen mit der Maus bequem anklicken und so ein Häkchen setzen. Als Sreenreader-Nutzerin konnte ich die Kontrollkästchen erst gar nicht finden, weil sie durch eine falsche Einstellung der Webseite für mich verborgen waren“, fasst Gerti K. die Misere zusammen. Blieb ihr nichts anderes übrig, als wieder ins Geschäft zu fahren und die Tasse vor Ort zu kaufen? Gerti verneint. Sie wandte sich per Mail an den Kontakt der Webseite, schilderte das Problem ausführlich und konnte ihre Bestellung persönlich durchgeben. „Der Händler war sich gar nicht bewusst, dass seine Webseite nicht barrierefrei ist“, sagt Frau K. „Er hat auch nicht gewusst, dass man als blinder oder sehbehinderter Mensch auch ohne Maus und ohne den Bildschirm zu sehen in Online-Shops einkaufen kann, wenn die Seite ordentlich und gut gestaltet ist.“ Gerti Ks. Aufklärungsarbeit trug Früchte. Der Händler ließ die Seite von einer Expertin für digitale Barrierefreiheit prüfen und setzte alle entsprechenden Maßnahmen um, damit dem Shopping-Vergnügen nun nichts mehr im Weg steht. „Er war sehr glücklich, dass ich ihm das Problem ausführlich erklärt und den Kontakt zu einer Expertin hergestellt habe. Jetzt klappt alles, wie es soll und er profitiert davon, dass wirklich alle bei ihm einkaufen können“, freut sich Frau K.
Shopping-Frust auf vielen Ebenen
Fälle wie dieser sind keine Seltenheit und leider lassen sie sich nicht immer so schnell und amikal klären. Das weiß Frau Gerti K. aus eigener Erfahrung. „Man glaubt ja nicht, wo überall Barrieren ein Weiterkommen verhindern. Auch auf offiziellen Seiten von wirklich großen Unternehmen“, sagt sie. Gerade bei Webshops scheint das Fehlerpotential besonders groß zu sein. Für blinde und sehbehinderte Menschen bedeutet das aber nicht nur ein getrübtes Einkauf-Vergnügen, sondern kann zu heikler Exklusion führen. Wer nicht eigenständig und selbstbestimmt notwendige Produkte bestellen kann, die womöglich nur über Online-Anbieter zu beziehen sind, ist auf fremde Hilfe angewiesen.
Was tun, wenn nichts geht?
Was aber kann getan werden, wenn man als Konsumentin auf eine Barriere trifft? Einfach alles hinnehmen und akzeptieren, dass es eben nicht geht? Keinesfalls. Zielführend ist es, den Mangel zu melden und somit auf das Problem aufmerksam zu machen. Dies kann direkt an die Webseitenbetreibenden bzw. die Unternehmen geschehen. Es kann gibt allerdings auch offizielle Stellen, die Beschwerden zu digitalen Barrieren zu digitalen Barrieren auf Webseiten und Apps des Bundesentgegennehmen. Die Beschwerdestelle des Bundes für digitale Barrierefreiheit, die bei der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) angesiedelt ist, ist hierfür Ansprechpartner. Sobald die Barrierefreiheit von Webshops durch das Barrierefreiheitsgesetz vorgeschrieben ist, wird es im Sozialministeriums-Service eine Beschwerdestelle geben.
Um die eigene Sicherheit im Netz und im Umgang mit digitalen Problemen zu erhöhen und somit die eigenen Kompetenzen zu erweitern, werden spezielle Kurse und Schulungen zur digitalen Barrierefreiheit angeboten. Expert:innen schulen dabei sowohl blinde und sehbehinderte als auch sehende Teilnehmende, die ein besseres Verständnis für die Voraussetzungen von digitaler Barrierefreiheit bekommen möchten. „Ich habe schon an einigen Kursen teilgenommen“, sagte Gerti K. „Da habe ich gelernt, dass es oft mehrere Wege gibt, um ans Ziel zu kommen. Es hat mir sehr geholfen und auch Spaß gemacht, mein eigenes Wissen und meine Fähigkeiten zu erweitern. Aber auch zu erkennen, wann das Problem nicht bei mir liegt, und zu wissen, wie ich die Verantwortlichen konstruktiv zu Verbesserungen motivieren kann, hilft mir im Alltag sehr“
Ihre Fragen sind gefragt!
Bestimmt haben auch Sie sich auch gefragt, wie Barrierefreiheit eigentlich funktioniert. Ob man dafür bestraft werden kann, wenn man sie nicht umsetzt. Und wer einem weiterhilft, wenn man selbst ansteht. Damit diese Fragen nicht länger unbeantwortet bleiben, geht die Wissen-Reihe „Fragen bringen Mehr-Sinn“ nun an den Start. Nutzen Sie die Chance und schreiben Sie uns, welche Fragen Ihnen im Kopf herumschwirren – unsere Expertinnen sind Meisterinnen des Fachs und haben die Antworten gebündelt für Sie. Und keine Angst – es gibt keine dummen Fragen!
Schreiben Sie an: pr@blindenverband.at
Webinare: Digitale Medien zugänglich machen.
Susanne Buchner-Sabathy, Expertin für digitale Barrierefreiheit des BSVÖ, und Doris Ossberger, ehemalige Leiterin der Kompetenzstelle für digitale Barrierefreiheit des BSVÖ, gehen mit Ihnen Schritt für Schritt in Richtung digitaler Barrierefreiheit!
Am 10., 11. und 17. September 2024 finden drei online Workshops „Digitale Barrierefreiheit kurz und gut“, „3 Schritte zum barrierefreien PDF“ und „Mein Handy spricht mit mir: Screenreader sehend nutzen“ statt. Melden Sie sich gleich an und freuen Sie sich auf einen inspirierenden Start in den Herbst! Informationen zu Inhalten, Preisen und Anmeldung gibt es auf der Webseite von Doris Ossberger unter folgendem Link: https://wortklaviatur.at/aktuelles-kursangebot/
Digitaltraining für Screenreader-Nutzer:innen im Herbst
Im November leiten Doris Ossberger und Susanne Buchner-Sabathy ein Digitaltraining, das aus 4 Einheiten besteht und Ihnen das selbstbewusste Nutzen digitaler Medien erleichtert . Mehr erfahren Sie hierzu unter: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/2222/Naechste-Chance-Dabei-sein-beim-Digitaltraining-im-Herbst
Sie wissen schon alles? Andere vielleicht noch nicht. Empfehlen Sie uns gerne weiter und helfen Sie mit, das Wissen über digitale Barrierefreiheit unter die Leute zu bringen!
Kontakt
DI Doris Ossberger
E-Mail: do@wortklaviatur.at
Webseite: www.wortklaviatur.at