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Weiterbildung: An Chancen glauben!

Barbara Vielnascher und Michaela Schretzmayer im Gespräch über die Herausforderungen des Arbeitsmarktes

  • Barbara Vielnascher und Michaela Schretzmayer von SEBUS © SEBUS

Aus der "Der Durchblick"-Reihe:
Die persönlichen Fähigkeiten entfalten und auch nutzen zu können, ist eine erfüllende Sache. Aber nicht immer kommen blinde und sehbehinderte Menschen zum Zug, wenn es um die eigene (Weiter-)Bildung geht und oft genug stehen dem Eintritt ins Berufsleben gleich mehrere Hürden im Weg. Wie bei SEBUS, der Schulungseinrichtung für blinde und sehbehinderte Menschen in Wien daran gearbeitet wird, diese Hürden zu überwinden und mit welchen Problemen leider immer noch gerechnet werden muss, erzählen Mag. Barbara Vielnascher und die Mag. Michaela Schretzmayer.


Mit SEBUS, der Schulungseinrichtung für blinde und sehbehinderte Menschen, ist im „Haus des Sehens“ in Wien eine Drehscheibe für Bildung und persönliche Weiterentwicklung gegeben. Barbara Vielnascher und Michaela Schretzmayer über ein Aufgabenfeld, das weit über den Auftrag hinausgeht.

Der Auftrag durch den Fördergeber beinhaltet die Qualifizierung für blinde und sehbehinderte Menschen im erwerbsfähigen Alter, die arbeitsfähig und arbeitswillig sind. Eine relativ trockene Ansage also, hinter der aber viel mehr steht, wie Mag. Barbara Vielnascher, Projektleiterin von SEBUS, und ihre Kollegin Mag. Michaela Schretzmayer Pädagogisch Verantwortliche, wissen. „Unmittelbar auf einen Job hin auszubilden, ist in den wenigsten Fällen möglich“, betont Vielnascher. „Wir setzen früher und mit viel Drumherum an. Basisbildung, Soziales, Dinge, die die Persönlichkeitsentwicklung fördern...erst all diese ‚Rundherum-Anstrengungen‘ machen das eigentliche Förderziel möglich.“

Eines der wesentlichen Elemente, die bei anderen Schulungseinrichtungen wahrscheinlich vor der Tür gelassen werden müssen, ist auch gleichzeitig einer der allgemeinsten Bausteine: den Alltag zu meistern. Das Spezifische des Alltags der Teilnehmerinnen und Teilnehmer – die Sehbehinderung oder Blindheit – wird in dieser Einrichtung zum Teil der Gemeinschaft, die einen regen Austausch zulässt. Das, was außerhalb vielleicht als exkludierende Einschränkung oder Extraleistung als unangenehm empfunden wird, ist hier integrierte Routine – sei es der Umgang mit Hilfsmittel, das zur Verfügung gestellte barrierefreie Lernmaterial oder auch das entgegengebrachte Zutrauen durch die Ausbildnerinnen und Ausbildner.    

Fördern = Fordern?!

Das (plötzliche) Auftreten einer Sehbehinderung bedeutet einen nicht zu unterschätzenden Einschnitt im Leben der betroffenen Person und schwächt nicht selten auch das Selbstbewusstsein. „Wieder Chancen aufgezeigt zu bekommen und in der Gruppe zu erkennen, was alles durch Technologie, Hilfsmittel und durch Training möglich ist, ist grundlegend für unsere Arbeit“, weiß Schretzmayer. Aber auch das Einfordern von Leistung kann helfen, das Selbstvertrauen zu stärken und den persönlichen Einsatz anzukurbeln. „Der Anspruch an die Person ist mitunter höher als er vielleicht bei anderen Stellen ist“, meint Vielnascher dazu. „Wir geben die Grundlagen und fordern, dass damit auch gearbeitet wird. Ganz nach der Devise: ‚Setze dich damit auseinander, beschäftige dich, dann kannst du es schaffen!‘“

Wenn du es tun kannst, dann tue es selbst.

Zwischen 60 und 80 Teilnehmer nützen SEBUS jährlich, wobei die Betreuungsdauer unterschiedlich lang ist. In den letzten Jahren hat sich die Tendenz abgezeichnet, dass Teilnehmende eher länger bleiben und gleichzeitig die Betreuungszahlen weniger hoch sind. Aber Entwicklung braucht Zeit, so wie eben auch das Lernen Zeit braucht. „Davon, zwei Wochen hier zu sein, wird man noch keinen Job finden. Längere Zeiten bedeuten in unserem Fall mehr Qualität und größere Wirkung.“ Mit 1,5 Jahren ist im Moment die Massageausbildung die längste Ausbildung im Angebot und auch die neue Büroausbildung mit dem optionalen Lehrabschluss zu Bürokauffmann/-frau wird 1,5 Jahre dauern und modular aufgebaut sein. Die Flexibilität der Ausbildung zeigt sich aber auch darin, dass nicht alle Kurse am Stück absolviert werden müssen. Hin und wieder ergänzt ein Arbeitstraining oder das Berufserproben die Ausbildung.

Auf die persönliche Frage nach den Projekten und Arbeitsbereichen, die für Mag. Vielnascher und Mag. Schretzmayer einen besonderen Stellenwert haben, lässt sich keine eindeutige Antwort finden. Mit JUMP „Jugend mit Potential“ ist eine der wichtigsten Ausbildungsgrundlagen gegeben. „Es ist auch deswegen so speziell für uns, weil man hier den größten Entwicklungsschritt beobachten kann“, so Vielnascher. „Wir dürfen die ganze Zeit über dabei sein und großartige Veränderungen miterleben. Es gibt wirklich Teilnehmende, die ihre Schüchternheit ablegen und bereit sind, die Welt zu entdecken. Das nährt uns.“ Dass aber nicht nur die positiven Seiten der persönlichen Entwicklung junger Menschen miterlebt werden, wissen die Ausbildenden auch. Den Drahtseilakt zwischen Bezugs- und Lehrperson, zwischen persönlichem Beistand in schweren Zeiten und der notwendiger Distanz zu meistern, ist eine der größten Herausforderungen für das SEBUS-Team. „Mit der Stabilität, die wir hier bieten, mit den Routinen, dem Rahmen und eben auch den Grenzen wird SEBUS zu einer Vertrauensinstitution. Aber gerade dann ist der professionelle Auftritt wichtig. Wir müssen natürlich aufpassen, beruflich nicht alle Grenzen zu überschreiten und trotzdem gleichzeitig Wegbegleiter sein“, fasst Vielnascher die Situation zusammen.

Bei SET (Schwerpunktorientiertes Einstiegstraining) sind die Teilnehmer älter und ist die Verweildauer kürzer. Schretzmayer liegen beide Projekte gleichermaßen am Herzen: „Hier sieht man sehr rasch Erfolg und es ist schön zu beobachten, was in nur sechs Wochen erreicht werden kann.“  

Dass Ausbildung und Training nicht nur vor Ort im Haus des Sehens stattfindet, sondern auch Ausflüge und Exkursionen unternommen werden, ist ein wichtiger Bestandteil im SEBUS-Alltag – eine räumliche Eingrenzung auf die Spezialeinrichtung würde auch den eigenen Prinzipien widersprechen. In diesem Jahr waren die Ausflugsziele schon bunt gestreut. Die Praxisorientierung stand dabei ebenso im Vordergrund wie das Üben der eigenen Orientierung und Mobilität. Ob Magistratisches Bezirksamt (Was muss ich tun, um einen Reisepass zu bekommen?), Nationalbank (Was sind die Merkmale von echtem und falschem Geld? Wie kann ich ein Konto eröffnen?), Hauptbahnhof (Wie funktionieren die neuen ÖBB-Ticketautomaten?) oder auch Freizeitlastiges wie Bootfahren, Klettern, Rikschafahren und Outdoor-Tage – Ideen für neue Ziele sind immer willkommen.

Das schwierige Feld der Outplacement-Beratung – also der Hilfe bei der Suche nach einem konkreten Arbeitsplatz –  wird im Moment noch durch die Arbeitsassistenz übernommen. Diesen herausfordernden Bereich in der Arbeit von SEBUS integrieren zu können, würde auch für die Kursplanung mehr Informationen liefern, denn nicht immer ist klar, wieso der Jobantritt schlussendlich scheitert. Sind es die technischen Möglichkeiten im Unternehmen? Liegt das Problem woanders?
Eines der Hauptprobleme beim Arbeitsantritt blinder oder sehbehinderter Personen sieht Barbara Vielnascher im Fehlen von grundlegender Information auf Seiten der potentiellen Arbeitsplatzanbieter. „Man darf den Unternehmen aber auch nicht ankreiden, dass sie sich mit dem Thema Blindheit und Sehbehinderung nicht auskennen und nicht wissen, welche Voraussetzungen im Betrieb benötigt werden und welches Potential die Arbeitnehmer mitbringen könnten. Das Problem ist, dass es Zeit und Ressourcen braucht, sich damit auseinander zu setzen und es im eigenen Unternehmen zu testen. Und genau hier treffen wir heutzutage auf schlechte Voraussetzungen.“ Damit die berufliche Integration auch in neuen Unternehmen und Betrieben gelingt, müssen Kapazitäten in Anspruch genommen werden, auch wenn der Trend der Zeit in eine andere Richtung geht. Sensibilisierungsarbeit ist also weiterhin auf breiter Basis notwendig. Denn wo es auf der einen Seite manchmal sehr wohl als zeitgemäß wahrgenommen wird, sich mit dem Label der Diversität zu schmücken (leider häufig ohne der notwendigen vorangegangenen Auseinandersetzung mit dem Thema), wird auf der anderen Seite immer noch Barrierefreiheit oft ausschließlich darüber definiert, ob ein Mensch im Rollstuhl zufahren kann, oder nicht. „Einrichtungen wie SEBUS oder wie der Blinden- und Sehbehindertenverband können Expertise und Erfahrung anbieten. Workshops, Jobcoachings, Informationsveranstaltungen – die Palette an Möglichkeiten ist riesig. Unterstützung für Unternehmen, um Kapazitäten für die Beschäftigung mit Inklusionsthemen freizuschaufeln, muss von anderer Stelle beigesteuert werden“, konkretisiert Vielnascher.

Querdenken in einer hochflexiblen Welt.

Das Kursprogramm für 2018 steht schon. Modulare und anschlussfähige Teilqualifizierung, die in einer Gesamtkursmaßnahme gebündelt oder wie ein Puzzle zusammengesetzt werden können, sind hierbei ein zukunftsträchtiges System, das Niveauunterschiede ausgleichen kann. So soll auch eine Spezialisierung unter dem Überbegriff „Büroarbeit“ ganzjährig laufen und Einstiege erleichtern. Der Fokus auf einen Austausch zwischen SEBUS unter dem Begriff der Bildungsassistenz und der Beruflicher Assistenz des BSV Wien- Niederösterreich und Burgenland (BSVWNB), sowie auf Netzwerktreffen und regelmäßige Coachings ist ein ebenso wichtiger, neuer Baustein der SEBUS-Arbeit. Hinter der Idee der Bildungsassistenz steht der Gedanke, Ausbildungsbereiche, die nicht vor Ort angeboten werden können, für blinde und sehbehinderte Menschen durch Kooperationen zu öffnen. In Zusammenarbeit mit der Beruflichen Assistenz des BSVWNB soll behinderungsspezifische pädagogische, organisatorische und technische Unterstützung beim Kursbesuch angeboten werden. Hand in Hand damit geht auch die Sensibilisierung der Trainer, die Aufbereitung von Unterlagen durch die hauseigene Medienproduktion sowie in weiterer Folge das Bewusstseinschaffen bei verschiedenen Schulungseinrichtungen und Kursinstituten für die bestehende Nachfrage. „Vielleicht gibt es dann auch Mut bei den Anbietern für andere Berufsrichtungen, die wir nicht abdecken können“, so Vielnascher und Schretzmayer schließt an: „Viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer brauchen nur ein Fünkchen, damit es klappt.“

Meistens geht mehr, als man glaubt.

Das Angebot, das SEBUS offeriert, ist weitläufig. Dennoch endet es nicht strikt mit dem Rahmen der Kurse, die im Programm stehen.
„Das Schlimmste ist, wenn Leute umdrehen, bevor sie mit uns gesprochen haben“, meint Barbara Vielnascher. „Das gilt für Interessenten, für Unternehmen oder für Kooperationsprojekte. Kommt zu uns, redet mit uns. Dann lassen sich bestimmt Wege finden.“

 

Kontakt

Haben Sie Fragen zum Kursprogramm und würden Sie sich gerne näher informieren? Kontaktieren Sie uns!

http://www.sebus.at/

Telefon: +43 1 982 75 84 - 222
Fax: +43 1 982 75 84 - 229
Email: office@sebus.at

Öffnungszeiten

  • Montag bis Donnerstag (werktags) von 8 bis 16 Uhr
  • Freitag (werktags) von 8 bis 12 Uhr

Adresse

SEBUS-Schulungseinrichtung für blinde und sehbehinderte Menschen
Hietzinger Kai 85 / 3. Stock
1130 Wien

 

Hier geht's zur Gesamtausgabe des Verbandsmagazines "Der Durchblick" 2. Halbjahr 2017

Der Durchblick 2/2017
 

Haben Sie Themenvorschläge zu denen Sie Sie gerne mehr im 2. Halbjahr 2018 lesen würden? Über Anregungen, Ideen und Hinweise freut sich Chefredakteurin Dr. Iris Gassenbauer (Tel.: +43 1 982 75 84-202)

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