Makerspaces in Wien – ein Lokalaugenschein zur Barrierefreiheit
Makerspaces © bsvö
"Makerspaces in Wien – ein Lokalaugenschein zur Barrierefreiheit" Grafik einer Figur, die verschiedene Werkzeuge und Gegenstände jongliert
Der Radioapparat ist kaputt. Die Fernbedienung funktioniert schon lange nicht mehr und die Nähmaschine hat auch den Geist aufgeben. Was nun? Wegwerfen und neu anschaffen? Oder doch reparieren? Die ressourcenschonende Variante klingt besser, aber ganz ehrlich: wer hat das Know-How und die Geräte, alles selbst zu reparieren? Hier kommen offene Werkstätten ins Spiel. In Maker-Spaces kann gemeinsam gebastelt und repariert werden, um Altes wieder so gut wie neu zu machen. Wolfgang Bubich, Web Accessibility Experte und TU Masterstudent hat sich angesehen, wie es um die Barrierefreiheit in den offenen Werkstätten steht….
Makerspaces in Wien – ein Lokalaugenschein zur Barrierefreiheit
Makerspaces, FabLabs oder Hackerspaces sind allesamt Begriffe für öffentlich zugängliche Werkstätten, wo allein oder in der Gemeinschaft Werkzeuge und Materialen, zumeist für geringes Entgelt, genutzt werden können, um diverse Produkte zu fertigen bzw. zu reparieren. Dabei kann man die Kreativität entfalten, Wissen in entspannter Umgebung miteinander teilen und Maschinen nutzen, die für den üblichen Haushaltsgebrauch mitunter kaum erschwinglich sind. Dazu zählen beispielsweise Lasercutter, Fräsgeräte, 3D-Drucker und viele mehr. Die Ausstattung der Werkzeuge sowie die unterschiedlichen Themenschwerpunkte variieren je nach Makerspace. In Österreich gibt es zahlreiche solche Orte, in Wien davon allein mindestens 12, wie sich unter anderem der folgenden Website entnehmen lässt: http://www.makerszene.at/makerspaces-in-oesterreich/
Da es sich hierbei um eine öffentlich zugängliche Einrichtung handelt, sollte diese im Idealfall auch für jede Person ohne Hürde nutzbar sein. Manche dieser Makerspaces befinden sich allerdings in alten, denkmalgeschützten Gebäuden, wo die Barrierefreiheit tatsächlich nur schwer umsetzbar ist.
Es sollte dennoch jede beeinträchtigte Person auch die persönliche Komfortzone verlassen und sich aktiv potenziellen Barrieren bei Makerspace-Besuchen stellen. Denn nur so werden letztlich auch Makerspace-Betreiber auf Probleme aufmerksam gemacht und damit konfrontiert, Hürden in der Zugänglichkeit für alle zu beseitigen.
Im Zuge der Lehrveranstaltung Free and Open Technologies, welche im Wintersemester 2023 für Masterstudierende an der TU Wien angeboten wurde, hat Herr Wolfgang Bubich, selbst Student an der TU Wien, in einem Wiener Makerspace einen Lokalaugenschein gemacht und die allgemeine Zugänglichkeit für blinde und sehbeeinträchtigte Menschen untersucht. Im Zuge dessen wurde auf ein Projekt explizit für Menschen mit Sehbehinderung, welches auch in einem weiteren Wiener Makerspace stattfindet, hingewiesen.
Anbei ein kurzer Barrierefreiheit-Faktencheck zu den Wiener Makerspaces MetaLab und HappyLab und welche Kontaktmöglichkeiten Menschen mit Sehbehinderung dahingehend geboten werden.
Barrierefreiheit im MetaLab
MetaLab, welches auf ehrenamtlicher Basis geführt wird, befindet sich nahe dem Wiener Rathaus im 1. Bezirk und kann ohne verpflichtenden Mitgliedsbeitrag genützt werden. Der Besuch für einen Lokalaugenschein wurde vorab via Mail angekündigt. Dabei hat ein MetaLab-Mitarbeiter von sich aus eine persönliche Abholung an der naheliegenden Öffi- Station und Begleitung zum MetaLab angeboten, da keine Bodenindikatoren als Wegweiser vorhanden sind. Da Herr Bubich allerdings an keiner Sehbehinderung leidet, war dies nicht notwendig. Dennoch zeigt sich dadurch bereits eine sehr gute Willkommenskultur gegenüber blinden Menschen. Eine Führung durch die MetaLab-Räumlichkeiten hat dies durchaus bestätigt, da allfällige Fragen zur Barrierefreiheit umfassend beantwortet wurden. Da sich dieser Makerspace allerdings auf Kellerniveau befindet, müssen bereits am Eingang, welcher von Pflastersteinen umgeben ist, zahlreiche Stufen überwunden werden. Ähnliches Problem existiert auch für den Hintereingang. Dieses Problem ist generell bekannt. Aufgrund des denkmalgeschützten Gebäudes seien größere Veränderungen hierfür nicht möglich. Eine mobile Rampe oder ein Treppenlift unterliegen einer Spezialanfertigung und wäre aufgrund der Ehrenamtlichkeit des MetaLabs nicht finanzierbar. Von der Stadt Wien würde es außerdem nur einmalige Projektförderungen geben. Die Zugangstüre ist zudem eine schmale ältere Holztüre, welche manuell geöffnet werden muss. Eine Barrierefreiheit ist auch bei der Navigation durch die Innenräume nicht vorhanden (viele Einzelräume mit Stufen, manuellen Türen und schmalen Korridore). Die Räumlichkeiten haben zum Zeitpunkt des Lokalaugenscheins auch recht unaufgeräumt gewirkt.
MetaLab bietet zahlreiche Werkzeuge und Materialen zur kostenlosen Benützung an. Die meisten davon sind jedoch ohne sehende Begleitperson für blinde Menschen nicht eigenständig bedienbar. Lediglich der 3D-Drucker, ein FDM Original Prusa Mini Modell, sei prinzipiell auch von blinden Personen, z.B. über eine spezielle Software (OctoPrint) via Screenreader am Computer, steuerbar. Auch die Handhabung des Druckmaterials, auch Filament genannt, sei mit dem Tastsinn problemlos möglich. Da der 3D-Drucker es ermöglicht, tastbare Objekte zu erstellen, sei dieses Gerät vor allem bei blinden und sehbeeinträchtigten Personen sehr beliebt.
Beim Lokalaugenschein wurde allerdings festgestellt, dass die Geräte über keinerlei taktile Beschriftungen und Anleitungen verfügen. Besonders problematisch ist dies bei größeren Maschinen, wie zum Beispiel dem Lasercutter, da hierbei die Bedienung teilweise über Touchscreen-Interfaces ohne jegliche Alternative erfolgt. Aber auch Materialen oder der Erste-Hilfe-Kasten, welcher in einer Werkstatt essenziell ist, verfügt über keinerlei taktile Aufkleber. Taktile Beschriftungen sind lediglich bei den Leergut-Flaschen der Getränkebar vorhanden. Ebenso wurde beim Besuch ein tastbarer 3-dimensionaler Raumplan, welcher aus dem 3D-Drucker erstellt wurde, präsentiert.
Laut Angabe des MetaLab-Mitarbeiters wäre man bei individuellen Wünschen von sehbeeinträchtigten Besucher:innen sehr flexibel und man würde beispielweise entsprechende taktile Beschriftungen in kurzer Zeit bereitstellen.
Beim Besuch wurde man auch darauf hingewiesen, dass im MetaLab immer wieder auch Treffen speziell für blinde Personen im Zuge des „Define“-Projekts (https://defineblind.at/ ), wo eine Braille Fernsteuerung fürs Smartphone und PC entwickelt wurde, stattfinden und nun weitere Treffen mit einem Nachfolgeprojekt geplant sind. Eine Kontaktaufnahme mit der hierfür zuständigen Person hat die Eindrücke des Lokalaugenscheins hinsichtlich Barrierefreiheit für diese Zielgruppe überwiegend bestätigt. Seitens dieses Projektteams würde man aber an Verbesserungen, wie z.B. eine taktile Beschriftung, schrittweise arbeiten.
Eine Auflistung von Aspekten hinsichtlich (Barriere-)Freiheit im MetaLab lässt sich auch aus folgender Website entnehmen: https://metalab.at/wiki/Barrierefreiheit
Im MetaLab werden aber auch spezielle Tage für gehörlose Menschen mit Gebärdensprache angeboten. Für diese Community wurden bereits nachhaltige Vorkehrungen, wie eine blinkende Türklingel in den Räumlichkeiten, geschaffen.
Dies zeigt, dass das MetaLab durchaus bereit ist, individuelle Wünsche der Besucher:innen umzusetzen. Dennoch zeigt der Lokalaugenschein auch, dass es den MetaLab- Mitarbeiter:innen noch etwas an Bewusstsein und Motivation mangelt, auch den blinden und sehschwachen Menschen eine langfristig zugänglichere Umgebung - zumindest in den Innenräumen abseits baulicher Barrieren - zu schaffen.
HappyLab – Kurzinfos zur Barrierefreiheit
Hierbei gab es keinen Lokalaugenschein, allerdings Informationen zur Barrierefreiheit durch einen Verantwortlichen des Define-Projekts, welches auch am MetaLab abgehalten wurde, gesammelt.
HappyLab, ein anderer Makerspace, befindet sich in der Nähe Messe-Prater im 2. Wiener Gemeindebezirk und erfordert in der Regel einen monatlichen Mitgliedsbeitrag. Die Mitarbeiter:innen von HappyLab sind nicht ehrenamtlich beschäftigt und müssen für Zusatzleistungen, wie eine Unterstützung bei den Geräten, sofern dies nicht in der jeweiligen Mitgliedschaft geregelt ist, zusätzlich bezahlt werden. Hinsichtlich Zugänglichkeit sei es im HappyLab allerdings besser als im MetaLab, da dieses ebenerdig zugänglich ist und auch in den Innenräumlichkeiten mehr Ordnung herrscht. Ein Begleitservice von den Öffis zum Makerspace sei allerdings nicht vorhanden. Eine persönliche Assistenz, auch für die Navigation in den Innenräumen sei hier ratsam.
Interesse am Besuch eines Makerspaces? - Kontaktmöglichkeiten
In den meisten Fällen ist für die Nutzung solcher Makerspaces eine geringe monatliche Mitgliedschaft zu entrichten. Allerdings werden für Interessierte in regelmäßigen Abständen sogenannte „Open Days“ angeboten, wo man zumeist ohne Voranmeldung einen Makerspace besuchen kann. Termine und Details lassen sich der Website des jeweiligen Makerspaces entnehmen. Eine Übersicht aktueller Makerspaces in Österreich findet man beispielsweise auf folgender Website: http://www.makerszene.at/makerspaces-in- oesterreich/
Sollte man als blinde Person ohne persönliche Assistenz allerdings an solch einem Schnuppertag Interesse haben, ist es empfehlenswert, einen Besuch am besten via Mail beim jeweiligen Makerspace anzukündigen, damit die Makerspace-Mitarbeiter:innen sich entsprechend vorbereiten und beispielsweise eine Abholung von den öffentlichen Verkehrsmitteln organisieren können.
MetaLab bietet zudem speziell für blinde Personen zumeist einmal im Monat ein Treffen explizit für diese Zielgruppe unter dem Titel „Do it blind“ an. Details kann man unter anderem auch hier entnehmen: https://metalab.at/wiki/DIB . Bei Interesse und für weitere Informationen kann man sich auch an die hierfür zuständige Kontaktperson, Herrn Johannes Střelka-Petz (Mail: johannes@oskars.org) wenden.
MetaLab – Adresse Rathausstraße 6, 1010 Wien https://metalab.at/
HappyLab - Adresse Schönngasse 15 – 17, 1020 Wien https://happylab.at/de_vie/
Der Autor
Wolfgang Bubich ist aktuell Masterstudent für Media and Human-Centered Computing an der TU Wien und beschäftigt sich seit seiner Bachelorarbeit, welche er ebenso an der TU Wien durchgeführt hat, mit dem Thema (Web) Accessibility sowie mit assistiven Technologien. Neben seinem Studium ist Herr Bubich beruflich als Web Accessibility Tester bei einem renommierten IT-Unternehmen tätig und auch international nach IAAP Certified Professional in Accessibility Core Compentencies (CPACC) zertifiziert.