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BSVÖ Braillemonat: Der Mehrwert der Brailleschrift in der Bildung

  • Braille EBU © BSVÖ

Im BSVÖ Fokusthema haben wir uns mit verschiedenen Aspekten von Braille in der Bildung beschäftigt. Braille als grundlegendes Werkzeug für Bildungserwerb und Informationsvermittlung ist weltweit von Bedeutung. Die Europäische Blindenunion, die die Rechte und Forderungen blinder und sehbehinderter Menschen europaweit vertritt und aktuell Sprachrohr von Organisationen 42 Mitgliedstaaten ist, hat deswegen eine Arbeitsgruppe hervorgebracht, die regelmäßig zusammenkommt, um den Einsatz von Braille zu fördern.

Im Positionspapier der Europäischen Blindenunion vom September 2023 reflektiert die Arbeitsgruppe Braille den Zugang zum Lesen und zur Nutzung der Brailleschrift.

Lesen Sie hier den Beitrag der EBU zum Thema: Bedeutung der Brailleschrift in der Bildung

Die Bedeutung der Brailleschrift als grafische Darstellung von Informationen wurde in verschiedenen Studien mehrfach nachgewiesen. Nach Diana und Doug Brent (2000) „bieten die sequentiellen, geordneten Zeichen der Braille-Schrift ein Medium, das räumlich sehr ähnlich wie die Druckschrift angelegt ist. Indizes, Listen, Gliederungen, Einrückungen sind in Braille sinnvoll. Man kann sie schnell oder langsam lesen, anhalten und zurückblättern und einer Argumentation auf eine Weise folgen, die vergleichbar schwierig ist, wenn man den Worten auf einem Tonband lauscht". Auch wenn das Tonband nicht mehr verwendet wird, ist die Bedeutung klar: Die auditive Wahrnehmung der Informationen bietet keine taktile Erfahrung mit dem Text selbst. Auch wenn die Brailleschrift nicht so leicht transportiert werden kann und nicht so leicht zugänglich ist wie Audiomaterialien oder Computer mit Bildschirmlesegeräten und eine Transkription und eine gründliche Ausbildung erfordert, bietet sie doch entscheidende Fertigkeiten, um die Lese- und Schreibfähigkeit einer Person zu erlangen. Wie Diana und Doug Brent (2000) es ausdrücken: "Die Brailleschrift ist wie der Druck ein Code, eine schriftliche Darstellung unserer gesprochenen Sprache. Wir würden niemals in Erwägung ziehen, das Lesen und Schreiben in Druckschrift für unsere sehenden Kinder durch ein rein mündliches Medium zu ersetzen. Dieselben Prioritäten und Erwartungen müssen auch für blinde oder stark sehbehinderte Menschen gelten. Wenn mündliche und schriftliche Kommunikation in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander stehen und nicht das eine durch das andere ersetzt wird, kann die Technologie zu einem äußerst nützlichen und aufregenden Werkzeug werden, aber die Technologie an sich kann keine Lese- und Schreibkompetenz vermitteln.

In den letzten 30 Jahren haben sich nur sehr wenige Arbeiten auf die Lese- und Schreibfähigkeiten in Brailleschrift konzentriert, z. B. die Arbeit von Millar aus dem Jahr 1997 (Englebretson et al., 2022), und in der wissenschaftlichen Forschung wurde dem Einfluss der Brailleschrift auf die Lese- und Schreibfähigkeiten oder den erreichten Bildungsstand sehbehinderter Menschen wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Wie Englebretson et al. (2022) feststellten, "gibt es keine einzige Erwähnung der Braille-Schrift in der kürzlich erschienenen zweiten Auflage von The Science of Reading: A Handbook (Snowling et al.)". Die wenigen durchgeführten Studien deuten jedoch stark darauf hin, dass "Personen, die seit ihrer Kindheit primär die Brailleschrift gelesen haben, eine höhere Lebenszufriedenheit, ein höheres Selbstwertgefühl und eine höhere Arbeitszufriedenheit aufwiesen als Personen, die angaben, die Brailleschrift in ihrer Kindheit nicht als primäres Lesemedium verwendet zu haben", was "die Prämisse unterstützt, dass die Braillekompetenz der Schlüssel zu Lebenszufriedenheit und Selbstwertgefühl sowie zu akademischem und beruflichem Erfolg ist" (Silverman und Bell, 2018). Mit anderen Worten: Die vorhandene wissenschaftliche Literatur zu diesem Thema bestätigt, was der gesunde Menschenverstand zu sagen scheint: Eine Person mit guten Lese- und Schreibkenntnissen, die effizient in schriftlicher Form unter Einhaltung der grammatikalischen Regeln kommunizieren und Daten effizient verwalten kann, ist wahrscheinlich besser vermittelbar als eine Person ohne diese Fähigkeiten. Und es ist nicht nur eine höhere Bildung oder ein Beruf, zu dem diese Fähigkeiten verhelfen. Wenn die Lese- und Schreibfähigkeit einer Person konsequent trainiert und gut entwickelt wird, trägt sie zur Verbesserung ihres Wohlbefindens und ihrer Lebensqualität bei.

Die Studie von Natalie N. Stepien-Bernabe, Daisy Lei, Amanda McKerracher und Deborah Orel-Bixler (2019) - The Impact of Presentation Mode and Technology on Reading Comprehension among Blind and Sighted - untersuchte eine kleine Stichprobe von 65 Personen. In dieser Studie stellten die Autoren die Hypothese auf, dass es einen Zusammenhang zwischen körperlichem Engagement und Textverständnis bei wissenschaftlichem Material gibt, und untersuchten die Auswirkungen von unterstützenden Technologien auf das Textverständnis. Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass das tatsächliche Lesen wissenschaftlicher Texte, sei es durch Sehen oder mit den Fingern, der gleichen Information, die durch auditive Wahrnehmung aufgenommen wird, überlegen ist. Darüber hinaus zeigte die Studie für die Stichprobe blinder Personen eine 10-prozentige Steigerung des Textverständnisses, wenn der Text mit den Fingern gelesen wurde, anstatt ihn mit einem Bildschirmlesegerät anzuhören.

Andere Studien legten ebenfalls nahe, dass Braille-Materialien und taktile Hilfsmittel sich als wirksame Mittel erwiesen, "die es blinden Studierenden ermöglichen, sich besser mit dem Lehrmaterial auseinanderzusetzen, wodurch sich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass blinde Studierende an den Wissenschaften beteiligt bleiben" (Supalo et al. in Lillehaugen, 2014).

Im Wesentlichen müssen blinde und sehbehinderte Menschen alle möglichen Wahrnehmungsmöglichkeiten als Werkzeuge zur Informationsaufnahme nutzen. In ihrer Freizeit können sie sich Texte, Bücher, Zeitungen und Zeitschriften anhören, aber nur durch eigenes Lesen erschließt sich der volle Sinn des geschriebenen Textes und werden gute orthografische Fähigkeiten entwickelt und erhalten. Wer kompliziertere Texte lesen, selbst etwas aufschreiben, anderen vorlesen, Fremdsprachen lernen oder Computerprogramme benutzen will, muss die Brailleschrift beherrschen. Auch für eine erfolgreiche berufliche Tätigkeit ist sie unerlässlich. Die persönliche Lese- und Schreibfähigkeit muss daher immer ein Hauptziel in der Ausbildung blinder und sehbehinderter Menschen sein. Aber nicht nur sie müssen mit der Brailleschrift vertraut sein, wenn das Bildungsumfeld inklusiv sein soll. Laut Tobin und Hill (2015, S. 10), die eine Studie über die künftige Nutzung der Brailleschrift durchgeführt haben, "werden die Schlüsselfaktoren die Ausbildung von Fachlehrern in Regel- und Sonderschulen und von Rehabilitationsfachleuten in Erwachsenenbildungszentren sein".

Weiterführend

II BSVÖ: im Fokus: Braillemonat – Bildung und Braille unzertrennbar: https://www.blindenverband.at/de/aktuelles/2069/II-BSVOe-im-Fokus-Braillemonat--Bildung-und-Braille-unzertrennbar

Webseite: Alphabete von Menschen mit Behinderung: https://fakoo.de/

BBI – Braillezentrum: https://bbi.at/service/braillezentrum/

Landesorganisationen des BSVÖ: www.bsv-austria.at

EBU Living Braille mit Downloadoption des Positionspapiers: https://www.livingbraille.eu/european-blind-union-issued-a-position-paper-about-braille/

 

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