Gewalt gegen Frauen: Der Weg der Gleichstellung
Seit 25. November laufen die 16 Tage gegen Gewalt an Frauen. Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich zeigt sich besorgt um die Lage von gewaltbedrohten Frauen in ganz Österreich. Besonders betroffen sind Frauen und Mädchen mit Behinderungen. Kann die Strategie für die Gleichstellung der Geschlechter 2020-2025 Gewaltstrukturen durchbrechen?
Zu einem Europa der Gleichstellung soll die EU-Strategie beitragen. Ungleichheiten sollen getilgt, Gleichstellung soll gefördert werden und die Ausgangslage ist an und für sich keine schlechte. 14 der 20 bei der Gleichstellung der Geschlechter weltweit führenden Länder sind EU-Mitgliedstaaten. Dennoch lassen sich bei genauerer Betrachtung auf beinahe allen Ebenen Ungleichstellungen feststellen. Frauen und Mädchen mit Behinderungen müssen immer als besonders benachteiligt mitgedacht werden.
Die in der Strategie gelisteten Statistik sprechen für sich:
- 33% der Frauen in der EU waren von körperlicher und/oder sexueller Gewalt betroffen
- 22% der Frauen in der EU waren von häuslicher Gewalt betroffen
- 55% der Frauen in der u wurden schon sexuell belästigt.
- Rund 600.000 Frauen und Mädchen in Europa wurden durch Genitalverstümmelung missbraucht, 180.000 Mädchen sind davon bedroht.
In der Mitteilung der Kommission an das europäische Parlament zur Strategie hieß es 2020:
Frauen mit gesundheitlichen Problemen oder Behinderungen erfahren häufiger verschiedene Formen von Gewalt. Die Kommission wird Maßnahmen zur Bekämpfung von Missbrauch, Gewalt, Zwangssterilisierung und Zwangsabtreibung ausarbeiten und finanzieren, beispielsweise Maßnahmen zum Ausbau fachlicher Kapazitäten und Sensibilisierungskampagnen zu den einschlägigen Rechten und den Zugang zur Justiz.
Die wirksame Verhütung von Gewalt ist von zentraler Bedeutung. Es ist wichtig, dass Jungen und Mädchen bereits im frühen Kindesalter im Sinne der Gleichberechtigung erzogen werden und der Aufbau gewaltfreier Beziehungen unterstützt wird. Außerdem bedarf es eines multidisziplinären Ansatzes, bei dem Fachleute und einschlägige Dienste – Strafrechtssystem, Opferhilfe, Täterprogramme, Sozial- und Gesundheitsdienste usw. – zusammenarbeiten. Die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und von Ideologien, die die Rechte von Frauen untergraben, kann auch zur Prävention von Radikalisierung, die zu gewaltbereitem Extremismus und Terrorismus führt, beitragen. Die Kommission wird ein EU-Netz zur Verhütung von geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt einrichten, über das Mitgliedstaaten und Interessenträger bewährte Verfahren austauschen können. Ferner wird sie Schulungen, den Aufbau fachlicher Kapazitäten und Unterstützungsdienste finanzieren. Dabei wird die Gewaltprävention, die sich schwerpunktmäßig an Männer und Jungen richtet und dem Thema der Männlichkeit gewidmet ist, von zentraler Bedeutung sein.
Um gegen Gewalt und Belästigung im Arbeitsumfeld vorzugehen, wird die Kommission die Mitgliedstaaten weiterhin auffordern, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über die Beseitigung von Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt zu ratifizieren‚ die bestehenden EU-Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmer(inne)n vor sexueller Belästigung umzusetzen und die Bürgerinnen und Bürger hierfür zu sensibilisieren. Ferner wird die Kommission als Arbeitgeber einen neuen umfassenden Rechtsrahmen mit präventiven und reaktiven Maßnahmen gegen Belästigung am Arbeitsplatz annehmen.
Gewalt gegen Frauen im Internet greift immer weiter um sich und hat gravierende Auswirkungen. Dies dürfen wir nicht hinnehmen. Sie hindert Frauen daran, am öffentlichen Leben teilzuhaben. Mobbing, Belästigung und Übergriffe in sozialen Medien beeinträchtigen den Alltag von Frauen und Mädchen in erheblichem Maße. Die Kommission wird einen Rechtsakt über digitale Dienstleistungen vorschlagen‚ in dem klar geregelt wird, welche Pflichten Online-Plattformen in Bezug auf Inhalte, die von Nutzern verbreitet werden, haben. Darin soll klargestellt werden, welche Maßnahmen Plattformen – unter Wahrung der Grundrechte – ergreifen müssen, um gegen illegale Aktivitäten im Internet vorzugehen. Aber auch die Nutzer müssen in der Lage sein, sich gegen andere Arten von schädlichen und missbräuchlichen Inhalten zu wehren, die zwar vielleicht nicht unbedingt illegal sind, aber verheerende Auswirkungen haben können. Um die Sicherheit von Frauen im Internet zu gewährleisten, wird die Kommission die Entwicklung eines neuen Rahmens für die Zusammenarbeit zwischen Internetplattformen erleichtern.
Die große Mehrheit der Opfer von Menschenhandel – sowohl innerhalb als auch außerhalb der EU – sind Frauen und Mädchen, die meist sexuell ausgebeutet werden. Die EU bekämpft den Menschenhandel umfassend durch koordinierte Maßnahmen in allen relevanten Bereichen. Menschen, die Frauen ausnutzen, ausbeuten und mit ihnen Gewinn machen, dürfen keinesfalls straffrei ausgehen. Die Belange von Frauen und Mädchen, die Opfer von Menschenhandel sind, müssen bei der Ausarbeitung politischer Maßnahmen im Mittelpunkt stehen. Die Kommission wird im Rahmen der Sicherheitsunion eine neue EU-Strategie zur Beseitigung des Menschenhandels sowie eine EU-Strategie zur wirksameren Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern vorlegen.
Um wirksam gegen geschlechtsbezogene Gewalt vorgehen zu können, braucht die EU umfassende, aktuelle und vergleichbare Daten. Die Daten sollten nach relevanten bereichsübergreifenden Aspekten und Indikatoren wie Alter, Behindertenstatus, Migrantenstatus und Wohnort in ländlichen oder städtischen Gebieten aufgeschlüsselt werden, um geschlechtsbezogene Gewalt umfassend abzubilden. Eine von Eurostat koordinierte EU-weite Erhebung wird Daten über die Verbreitung und Dynamik von Gewalt gegen Frauen und anderen Formen zwischenmenschlicher Gewalt liefern; die Ergebnisse sollen 2023 vorgestellt werden.
(Zitiert nach (weitere Quellen in Ausgangstext): https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM%3A2020%3A152%3AFIN)
Wege gegen Gewalt und Ungleichstellung
Auch die Bekämpfung von Geschlechterstereotypen, die Entfaltung in einer geschlechtergerechten Wirtschaft, die Gleichberechtigte Führungsverantwortung in der Gesellschaft, Gender Mainstreaming und eine intersektionelle Perspektive in der EU-Politik und die Förderung der Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frau weltweit sollen dazu führen, dass schon 2025 die Welt ein Stück gerechter wird. Ob es für die Lebensrealität von Frauen tatsächlich weniger Gewalterfahrung bedeutet, wird sich zeigen. Dass eine länderübergreifende Strategie, die nachhaltig und konsequent umgesetzt wird, notwendig ist, steht allerdings außer Zweifel.
Weiterführend
Die gesamte Strategie zum Nachlesen: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=COM%3A2020%3A152%3AFIN
Statistik Austria Gewalt gegen Frauen: https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-soziales/kriminalitaet-und-sicherheit/gewalt-gegen-frauen