E-Scooter schlagen weiter Wellen: Die Ganze Woche berichtet
In vielen Bundeshauptstädten sind Leih-Scooter Teil des Stadtbildes. Werden sie nicht mit der geforderten Rücksicht genutzt, entwickeln sie sich aber schnell zu einer Problematik, die für Unfälle und Verletzungen sorgen kann. Der Blinden- und Sehbehindertenverband Österreich setzt sich seit dem vermehrten Aufkommen der Leih-Roller für eine sichere Nutzung ein, denn blinde und sehbehinderte Personen sind durch wild abgestellte Roller, von halsbrecherische Gehsteigfahrer oder blockierte taktile Leitsystemen besonders gefährdet.
Damit der "Roller-Schwemme" Einhalt geboten werden kann und die Probleme, die gerade für blinde und sehbehinderte Menschen durch die E-Scooter verursacht werden, auch ins Bewusstsein der Nutzenden dringen, sensibilisiert der BSVÖ auf mehreren Ebenen. Dazu zählt auch die Zusammenarbeit mit Printmedien, die durch ihre Reichweite verschiedene Nutzergruppen auf das Thema hellhörig machen können.
Nun erschien in Die Ganze Woche ein neuer Artikel, der sich der Roller-Problematik annimmt.
Lesen Sie den Text, der in der Printausgabe der KW 28 erschien, hier barrierefrei nach!
Neues Ärgernis in unseren Städten
Elektro-Roller haben unsere Städte erobert. Doch die „Leih-Flitzer“ sind zunehmend ein Ärgernis, oft sogar gefährlich. Vor allem für Blinde und Sehbehinderte.
Sie liegen als Stolperfalle quer auf dem Fußgänger- oder Radweg. Rücksichtslose Nutzer fahren mit vollem Karacho auf dem Gehsteig. Und nicht selten stehen zwei oder sogar drei Jugendliche auf den
Elektro-Rollern. Tausende der elektrischen„ Leih-Flitzer“ sind in unseren Städten unterwegs. Allein in
Linz gibt es 1.200, in Wien geschätzte 4.500. Der Unmut über die E-Roller nimmt zu, ebenso wie die Unfälle damit. In der Bundeshauptstadt gab es in den ersten drei Monaten 50 Unfälle mit „E-Scooter“- Beteiligung. So viele wie im ganzen Jahr davor.
Für Blinde und Sehbehinderte sind leichtsinnige Gehsteig-Fahrer und falsch abgestellte Elektro-Roller nicht nur ein Ärgernis, sondern zunehmend gefährlich. Sie können zu Stürzen und Verletzungen
führen. Zudem erschweren sie durch blockierte Blinden-Leitsysteme die selbstständige Fortbewegung.
„Wir fordern wieder sichere Gehsteige, klare Parkplätze für E-Scooter und strenge Kontrollen durch die Parksheriffs übt Markus Wolf, der Präsident des Blinden- und Sehbehindertenverbandes (BSVÖ) scharfe Kritik. Die Roller seien zu einer „erheblichen Gefährdung geworden“, erklärt er. „Wir brauchen daher einen gut geregelten Gebrauch dieser Fahrzeuge, damit sich alle Personen wieder
sicher und ungehindert fortbewegen können.“
Zum Abstellen sollten laut Vorschrift Roller-Parkplätze, Fahrradständer oder der Parkstreifen benutzt werden. Auf dem Gehsteig dürfen die Zweiräder geparkt werden, wenn er mindestens 2,5 Meter
breit ist. Und zwar so, dass sie Fußgänger oder Verkehr nicht behindern. In Wien gibt es eine eigene
Verordnung. Werden Leih-Roller am Gehsteig geparkt, muss der mindestens vier Meter breit sein. Die Aufstellung hat „im rechten Winkel zum fahrbahnseitigen Gehsteigrand zu erfolgen“. Damit soll „ein Umfallen der Roller in Richtung Fahrbahn oder Parkspur möglichst vermieden werden“, heißt es aus dem Rathaus. Das Quer-Parken ist also gesetzlich vorgegeben.
Entlang von Hausfassaden dürfen die Roller nicht abgestellt werden, „da sich blinde Menschen an der Hausmauer mit dem Langstock orientieren.“ Vor Spitälern oder bei Märkten ist das Parken verboten.
Kaum ein Rollerfahrer gibt Abbiege-Handzeichen
Die Elektro-Roller dürfen höchstens 25 Stundenkilometer schnell sein. Für sie gelten dieselben Regeln wie für Radfahrer, das betrifft das Fahrverbot am Gehsteig ebenso wie das Alkohollimit von 0,8 Promille. Auch Handzeichen beim Abbiegen sind vorgeschrieben. Doch nur zwei Prozent der Scooter-Fahrer halten sich daran, hat das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) im vergangenen Sommer bemängelt.
Immer wieder stehen auch zwei Personen verbotenerweise auf einem Flitzer. Das kann bei einer Strafe teuer werden, mit Geldbußen bis zu 726 Euro. In der Regel dürfen die Zweiräder erst ab 18 Jahren ausgeborgt werden.
In Linz sorgen jetzt wie schon in Wien „Roller-Sheriffs“ der Verleihfirmen für mehr Ordnung. Sogar einen Aktionstag gab es in der oberösterreichischen Landeshauptstadt angesichts
der „Roller-Schwemme“. „Es wurden erste Schritte gesetzt, weitere Verbesserungen sind notwendig und müssen spürbar werden“, sagt ÖVPVerkehrsstadtrat Martin Hajart. „Vor allem hinsichtlich des problematischen Fahrverhaltens mehren sich die Beschwerden.“ Jetzt soll es großflächige Parkverbotszonen und digitale „Geschwindigkeitsbeschränkungen“ in manchen Bereichen geben.
Das Unternehmen Superpedestrian, das Elektro-Roller unter dem Namen „Link“ verleiht, will ab dem Sommer eine neue Sicherheitstechnologie einsetzen. Sie soll erkennen, ob jemand am Gehsteig fährt oder etwa eine Stopptafel missachtet. „Beispielsweise könnte der Scooter, wenn eine Gehsteigfahrt erkannt wird, automatisch die Geschwindigkeit reduzieren“, erklärt der Link Österreich- Geschäftsführer Laurenz Vavrovsky. Oder, „wenn gewollt die Weiterfahrt am Gehsteig ganz verhindern.“
Gearbeitet werden soll auch mit positiven Anreizen. Beispielsweise könnten Nutzer, „wenn sie wiederholt sicher und regelkonform fahren, Ermäßigungen oder Freiminuten erhalten. ,Abstrafen‘ beziehungsweise aktiv in die Fahrt eingreifen wollen wir nur, wenn es nicht anders möglich ist.“ Nach und nach soll die gesamte Roller-Flotte umgestellt werden.
Salzburg hat sich gegen Leih-Roller entschieden
Bei Link wurde zudem zuletzt registriert, dass die Beschwerden eher abnehmen. Die „Park-Teams“ mit anderen Betreibern in Wien und Linz stellen falsch abgestellte Roller um. Das funktioniere gut. In Linz haben die Verleihfirmen untertags an Werktagen etwa drei Stunden, in Wien zwei Stunden Zeit, um gemeldete „Falschparker“ zu entfernen. Die Stadt Salzburg hat sich im Jahr 2020 gegen den Verleih von Elektro-Rollern ausgesprochen. Denn die Straßen seien für die „E-Scooter“ zu eng, das Risiko von möglicherweise ungeübten Fahrern in der Altstadt zu groß und ungünstig abgestellte Fahrzeuge würden zu viel Platz brauchen. „Wir sind mit der Entscheidung zufrieden“, sagt der Büroleiter des Salzburger ÖVP-Stadtchefs Harald Preuner.
[Bild: zwei Jugendliche, die gemeinsam auf einem Roller unterwegs sind.
Bild: Ein Roller, der auf dem Gehweg der Wiener Reichsbrücke abgestellt wurde.
Bild: Mehrere Roller, die einen Gehweg in Frankfurt blockieren.
Bild: Auf dem Gehweg liegender Roller an einer Linzer Haltestelle.Bild: Präsident Dr. Markus Wolf im Portrait.]
NN: Neues Ärgernis in unseren Städten. In: Die ganze Woche vom 4. Juli 2022. Nr. 27/22, S.6-7.