BSVÖ Digitaler Dienstag: Wenn ich einmal reich wär‘ … aber zum Geldausgeben Hilfe bräuchte
Digitaler Dienstag © bsvö
Logo des BSVÖ. Daneben schwarzer Schriftzug auf gelbem Hintergrund: Digitaler Dienstag.
Wenn wir Ende der Woche mit einem fröhlichen Lied zu Ehren der selbstbestimmten Mobilität auf den Lippen am Tag des weißen Stockes vorbei spaziert sein werden, naht bereits das nächste bedeutende Ereignis: der Weltspartag. Bei manchen von uns weckt das kindliche Erinnerungen an herzige Plüschmaskottchen als Belohnung für den Besuch auf der Bank und die Einlage von ein paar Schilling am Sparbuch. Angesichts so mancher Barriere auf dem Weg dahin kommt aber auch der Gruselfaktor für viele schon nahe an Halloween heran.
Ich selbst bin alles andere als eine Expertin in Geldgeschäften. Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden, wenn meine Grundbedürfnisse und die meiner Lieben gedeckt sind, und dazu hat der Köpfler in den Geldspeicher voller Goldtaler – auch den virtuellen – noch nie gehört. Ob die aktuellen Börsenkurse mir jederzeit frei zur Verfügung stehen oder in einem Kammerl streng geheim unter Verschluss gehalten werden, ist mir also relativ egal. Auch die Zugänglichkeit von Informationen, um keine Gelegenheit zu verpassen, mein Geld gewinnbringend anzulegen, bereitet mir persönlich kein Kopfzerbrechen. Brenzlig wird es allerdings selbst für mich und mir in diesen Dingen ähnlich Gesinnte, wenn ich zu den Geldgeschäften, die ich brauche, um meinen Alltag zu bestreiten, keinen Zugang habe und dafür auf fremde Hilfe angewiesen bin.
Technischer Fortschritt als zweischneidiges Schwert
Die zunehmende Digitalisierung birgt einiges an Potenzial, um vieles einfacher zu machen. Wenn die Prinzipien von Barrierefreiheit und universellem Design im Zuge der Entwicklung aber nicht grundlegend und ununterbrochen mitgedacht werden, sorgen ursprünglich zukunftsweisende Lösungen ganz schnell dafür, dass vielen Menschen ihre Selbstständigkeit in essentiellen Dingen des täglichen Lebens genommen wird.
Meine Großtante soll eine von denen gewesen sein, die ihr Geld tatsächlich ausschließlich unter der Matratze verstauen. Auf den ersten Blick wäre das vielleicht eine Option, mit der man an der ganzen Problematik mit der „modernen Technik“ elegant vorbei käme und sein Geld beinahe buchstäblich im Griff hätte. Abgesehen davon, dass diese Anlageform trotz aller Einfachheit vermutlich nicht nur vorteilhaft ist, wäre es heutzutage auch schwer bis gar nicht möglich, sich darauf zu beschränken, denn es sind beispielsweise die wenigsten Dienstgeber_innen bereit und in der Lage, Gehälter auf Lattenroste zu überweisen.
Lust und Frust beim e-Banking
Es zahlt sich also aus, sich ein wenig damit zu beschäftigen, welche digitalen Lösungen es für Bankgeschäfte so gibt, wie sie uns den Alltag erleichtern können und in welchen Bereichen sie so gestaltet sind, dass sie für viele Menschen genau das Gegenteil bewirken.
Der große Vorteil des e-Banking liegt auf der Hand: für Bankgeschäfte so gut wie gar nicht auf Banköffnungszeiten angewiesen zu sein und sich auch nicht vor die Haustür, im Zweifelsfall nicht einmal aus dem Pyjama heraus, bewegen zu müssen hat schon etwas für sich. Daran ist manches geknüpft, das auch für Menschen mit Behinderungen einiges einfacher machen kann. Sich einen Weg zu ersparen, ist je nach Situation für jede_n eine reizvolle Option. Das gilt für Menschen mit Behinderungen genauso, vor allem zumal Barrieren im öffentlichen Raum solche Wege sie leider oft besonders viel Anstrengung und Konzentration kosten. Wenn es um das Bedienen von Geräten geht, kann es vor allem für blinde und sehbehinderte Menschen wesentlich einfacher sein, zu Hause in Ruhe am eigenen, vertrauten Computer oder Smartphone zu arbeiten, als sich an einem öffentlichen Ort, womöglich mit mehr oder weniger geduldig wartenden anderen Bankkund_innen rundherum mit einem Gerät herumschlagen zu müssen, das je nach Komplexität seiner Funktion zumindest derzeit oft nur bedingt für sie nutzbar ist.
Problematisch ist das Ganze in zweierlei Hinsicht: Erstens gibt es genügend Menschen, die mit der Bedienung eines eigenen Geräts genauso wenig vertraut sind wie z.B. mit einem allgemein zugänglichen in einem Bankfoyer. Zweitens können die qualifiziertesten Computer- oder Smartphonenutzer_innen mit einer Anwendung nichts anfangen, wenn sie nicht so programmiert ist, dass sie auf alle Funktionen und Inhalte problemlos zugreifen können.
Was ist entscheidend?
Erste Probleme tauchen oft schon beim Einloggen in die e-Banking Anwendung auf. Zur Authentifizierung gibt es verschiedene Möglichkeiten. Jene, bei der eine Smartphone App zum Einsatz kommt, bietet prinzipiell für blinde und sehbehinderte Menschen einen durchaus effizienten und einfachen Weg. Das gilt nur leider für all jene, die kein Smartphone haben, nicht. Die Alternative in einem solchen Fall wäre die Authentifizierung mittels smsTAN. Dabei kann aber das Ablesen und Eingeben der TAN innerhalb des knappen Zeitlimits Probleme machen. Inwieweit Verbesserungen möglich sind, hängt in solchen Fällen von Sicherheitsvorgaben ab, die oft nicht allzu viel Flexibilität erlauben.
Ist diese Hürde überwunden, so müssen e-Banking Anwendungen zweierlei Funktionen erfüllen: Einerseits wollen Kund_innen Informationen übersichtlich und verständlich präsentiert bekommen. Welcher Kontostand bezieht sich auf welches Produkt? Welche Informationen gehören zu welcher Transaktion? Andererseits wollen sie Aktionen effizient durchführen können – Überweisungen durchführen, Daueraufträge stornieren, das Einlangen einer Überweisung prüfen, Kontoauszüge herunterladen usw. Damit beides gegeben ist, ist eine gut durchdachte, klare Struktur unumgänglich. Diese Struktur muss sehend gut erfassbar sein – auch, wenn die Anwendung mit einer Vergrößerungssoftware genutzt wird. Und sie muss für Kund_innen, die einen Screenreader nutzen, ebenso gut erfassbar sein. Das heißt, dass alle Informationen und Funktionen wahrnehmbar, sinnvoll beschriftet und mit der Tastatur bedienbar sein müssen.
Ihre Erfahrungen sind gefragt
Die Praxis zeigt, dass die Qualitätsunterschiede von e-Banking Anwendungen in Bezug auf Barrierefreiheit oft enorm sind – zwischen den Lösungen unterschiedlicher Banken, zwischen der Anwendung ein und derselben Bank für PC und Smartphone oder auch von Version zu Version ein und derselben Anwendung. Die Probleme beim e-Banking für blinde und sehbehinderte Kund_innen sind beträchtlich, das wissen wir. Oft bringt die fehlende Barrierefreiheit sogar langjährige Kund_innen dazu, die Bank zu wechseln. Doch das ist nicht der einzige Grund, warum Banken gut beraten sind, ihre Angebote so zu gestalten, dass sie für blinde und sehbehinderte Menschen gut zugänglich sind: seit 2019 gibt es den Europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit (EU Richtlinie 2019/822). E-Banking ist eine der Dienstleistungen, die von diesem Gesetz betroffen sind, und 2022 wird es Teil der österreichischen Gesetzgebung sein.
Der BSVÖ arbeitet schon lange und intensiv daran, durch seine Initiative und Fachberatung aktiv zur Barrierefreiheit von Bankdienstleistungen beizutragen. Je besser wir wissen, wo genau die Probleme liegen, desto zielgerichteter können wir diese Aktivitäten verfolgen und desto besser ist die Aussicht auf Ergebnisse, die wirklich zu Verbesserungen führen. Wollen Sie uns helfen? Bitte teilen Sie Ihre Erfahrungen mit uns! Wie gut kommen Sie mit Ihren Bankgeschäften zurecht? Nutzen Sie Geräte in der Filiale oder bevorzugen Sie die Bearbeitung durch das Bankpersonal? Haben Sie Erfahrung mit e-Banking? Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Bank – welche sind für Sie die größten Stärken und Schwächen ihrer Angebote? Was müsste unbedingt verbessert werden?
Kontakt
Wir freuen uns über alle Antworten auf unsere Umfrage an Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at – selbstverständlich sind auch andere Rückfragen und Anmerkungen zum Artikel herzlich willkommen!