BSVÖ Mehrsinne Mittwoch: Reden Sie mit - Was macht den Arztbesuch barrierefrei?
Mehrsinne Mittwoch © bsvö
Logo Mehrsinne Mittwoch. Schriftzug auf mintgrünem Hintergrund, daneben das Logo des BSVÖ.
Was kann man noch weniger brauchen als so krank zu werden, dass ein Arztbesuch nötig wird? Richtig, dass der Arztbesuch mühsam ist. Womöglich sogar so mühsam, dass er ohne Hilfe nicht möglich ist. Was ist für Sie besonders wichtig, damit das nicht passiert? Teilen Sie Ihre Erfahrungen mit uns und helfen Sie Ärzt:innen, ein barrierefreies Service zu bieten!
Wussten Sie, dass es eine Webseite gibt, auf der Sie herausfinden können, welche Ärztinnen und Ärzte eine barrierefreie Praxis haben? Vielleicht denken Sie sich jetzt „Ja, ja – und wer sagt, was „barrierefrei“ ist? Da werden sie wieder einmal nur an die WCs für Rollstuhlfahrer:innen gedacht haben!“. Dann haben wir gute Nachrichten für Sie: In diesem Fall ist es anders – und es soll sogar noch besser werden.
Sensibilisierung und Service
Die ÖQMED, das ist die Österreichische Gesellschaft für Qualitätssicherung und Qualitätsmanagement in der Medizin, betreibt eine Plattform, auf der Informationen darüber abrufbar sind, welche für die Zugänglichkeit relevanten Gegebenheiten in Arztpraxen in ganz Österreich vorzufinden sind. Zur Verfügung gestellt werden diese Daten in vielen Fällen von den Ärzt:innen selbst. In einer Reihe von Praxen wurden sie von BIZEPS oder anderen Organisationen zur Interessenvertretung von Menschen mit Behinderungen erhoben. Das Ziel dieses Angebots ist einerseits, das Bewusstsein von Ärzt:innen dafür zu schärfen, welche Aspekte man bedenken muss, um allen einen ungehinderten Zugang zur Praxis zu ermöglichen. Andererseits soll es natürlich Patient:innen zugutekommen, die diese Informationen brauchen, um eine passende Praxis zu finden.
Exkurs zum digitalen Dienstag
Streng genommen gehört das ja nicht hier her, aber da die Abfrage der Daten über eine Webseite angeboten wird, kamen wir nicht drum herum, uns diese Webseite auch kurz hinsichtlich Barrierefreiheit anzuschauen. Das Suchformular auf der Webseite https://www.arztbarrierefrei.at/#/search ist grundsätzlich gut mit dem Screenreader bedienbar, solange Sie es vom PC aus aufrufen. Über die Bedienbarkeit am Smartphone breiten wir – weil eben nicht digitaler Dienstag ist – für heute lieber den Mantel des Schweigens und empfehlen Ihnen, über den PC einzusteigen, wenn Sie sich nicht fürchterlich ärgern wollen. Auch in der PC-Version gibt es ein paar kleine Ungereimtheiten, die Sie vielleicht hier und da irritieren, aber hoffentlich nicht daran hindern werden, die Suchfunktion uneingeschränkt zu nutzen. Wundern Sie sich bitte nicht, wenn Sie nach Aufruf der Webseite keine Überschrift finden – es gibt keine. Starten Sie dann am besten gleich mit TAB und ignorieren Sie wohlwollend, dass Sie auf die Schaltfläche „Suchen“ gelangen, bevor Sie irgendetwas ausfüllen oder auswählen konnten. Zu den Feldern, wo Sie das können, kommen Sie, wenn Sie mit TAB weiter gehen. Die Formularelemente selbst sind dann mit dem Screenreader gut bedienbar. Ein bisschen verwirrend ist, dass es bei der Auswahl der Wochentage keine Gruppenbeschriftung, wie zum Beispiel „An welchen Wochentagen soll die Ordination geöffnet haben?“ gibt und die Wochentage auch nicht ausgeschrieben werden. „Montag“ wird beispielsweise mit „Mo“ abgekürzt. Wenn Sie sich also gerne selbst ein Bild von dem Angebot machen wollen, erwartet Sie am PC kein Desaster. Natürlich werden wir aber den Betreiber auf die Probleme aufmerksam machen, die gerade in diesem Zusammenhang so gar keinen schlanken Fuß machen.
Was alles dahinter ist
Dennoch hat die Sache ohne Zweifel ihren Reiz. Aber was macht den aus? Der Versuch, etwas den Stempel „barrierefrei“ im besten Sinne aufzudrücken ist in den meisten Fällen zum Scheitern verurteilt – zumindest, wenn man dabei seriös bleiben will. Wem das mit der Seriosität nicht so wichtig ist, hat es freilich einfacher. So jemandem würde womöglich sogar eine freistehende Rampe im Umkreis von 150 m des Hauseingangs reichen, um die Arztpraxis im 3. Stock des Hauses als barrierefrei auszuweisen – und zwar ungeachtet dessen, ob es zum Beispiel im Haus einen Lift gibt, geschweige denn ob er mehr als nur Sensortasten zur Auswahl des Stockwerks zu bieten hat. Andererseits hätte jemand mit einem ehrlichen Interesse, Patient:innen den Arztbesuch zu erleichtern, keine Möglichkeit beispielsweise zu kommunizieren, wie sensationell sich blinde Menschen in seiner Praxis zurechtfinden können, wenn sie wegen der Stufe beim Hauseingang definitiv nicht als barrierefrei bezeichnet werden kann.
Hier setzt die Plattform der ÖQMED an: Im Suchformular stehen verschiedenste Kriterien zur Auswahl, die für die Zugänglichkeit eine Rolle spielen. Je nachdem, was für Sie persönlich ausschlaggebend ist, um den Arztbesuch einigermaßen entspannt und ohne fremde Hilfe hinter sich zu bringen, können Sie die Suche genau nach diesen Anforderungen filtern. Dieses System macht auch die Selbsteinschätzung durch die Ärzt:innen, auf deren Basis ja viele der Daten zustande kommen, weniger problematisch. Könnten sie nämlich nur „barrierefrei“ angeben, könnte das alles und nichts bedeuten und wäre wenig hilfreich. Aussagen wie „Zum Erreichen der Ordination müssen maximal drei Stufen überwunden werden.“, „Die Vorderkanten der Stufen sind kontrastreich markiert.“ oder „Eine Stockwerkansage ist im Aufzug vorhanden.“ hingegen sind doch ziemlich konkret und können ohne spezielles Fachwissen kompetent beantwortet werden. Gleichzeitig lässt sich danach individuell entscheiden, ob für Sie persönlich die Bedingungen so passen.
Hilfreiche Praxis sticht edle Theorie
Zum schnelleren Finden der relevanten Kriterien sind diese im ÖQMED-Suchformular nach Gruppen von Personen mit unterschiedlichen Arten von Behinderungen geordnet. Verfechter:innen des Universal Design Ansatzes, wie ich eine bin, sind angesichts dieser Zuordnung von Barrierefreiheitsanforderungen zu einzelnen Personengruppen geneigt sich zu echauffieren. In diesem speziellen Fall hat sie aber doch irgendwie eine Berechtigung, erleichtert sie in der Praxis wahrscheinlich doch das schnelle Finden jener Kriterien, auf die man besonderen Wert legt, wenn man eine bestimmte Beeinträchtigung hat. In wieweit die Kategorien schlüssig und die einzelnen Kriterien adäquat zugeordnet sind, darf selbstverständlich kritisch hinterfragt werden.
Sie sind am Wort!
Aktuell möchte die ÖQMED ihren Erhebungsbogen überarbeiten und ist mit der Bitte um Unterstützung auf den Österreichischen Behindertenrat (ÖBR) zugekommen. Auf diesem Weg ist die Anfrage auch zum BSVÖ gelangt. Wir haben also die Möglichkeit, die Informationen, die auf der Suche nach einer passenden Arztpraxis abgefragt werden können, mitzugestalten. Und an dieser Stelle kommen Sie ins Spiel! Was ist für Sie wichtig zu wissen, damit Sie einschätzen können, ob eine Arztpraxis für Sie gut zugänglich ist? Was würden Sie erfragen wollen, um eine passende Ordination auszuwählen? Welche Bedingungen wollen Sie auf keinen Fall vorfinden? Gibt es Hürden, die für Sie so unüberwindbar sind, dass sie keine zehn Pferde in eine Ordination bringen könnten? Oder anders herum gefragt: Was muss unbedingt gegeben sein, damit Ihnen der Arztbesuch bewältigbar erscheint?
Lassen Sie uns wissen, was es braucht – frei von der Leber weg! Ganz egal, ob es um bauliche, ausstattungstechnische, digitale oder organisatorische Hürden geht: Mit Ihrer Auskunft helfen Sie mit, dass die Suche nach barrierefreien Ordinationen bestmöglich an die realen Anforderungen angepasst ist! Bitte senden Sie ihn an Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at – je eher, desto besser!