BSVÖ Digitaler Dienstag - Appetit auf Inklusion: Gasthausbesuche, QR Codes und Barrierefreies zum Lesen
Digitaler Dienstag © bsvö
Logo des BSVÖ. Daneben schwarzer Schriftzug auf gelbem Hintergrund: Digitaler Dienstag.
Der Hochsommer ist da und viele freuen sich, dass sie zumindest vorübergehend trotz Pandemie nicht auf den entspannten Besuch beim Heurigen, in der Strandbar oder im Gastgarten ihres Lieblingslokals verzichten müssen. Für Menschen mit Behinderungen ist das selbst in weltgesündesten Zeiten alles andere als selbstverständlich. Aber was haben QR Codes damit zu tun? Und warum finden wir das Thema überhaupt wichtig?
Dass die berühmte „eine Stufe“ beim Eingang ins Kaffeehaus für viele mit einem „Ich darf nicht hinein!“ – Schild gleichzusetzen ist, ist ein alter Hut – auch, wenn er noch erschreckend oft, unbedarft oder gar selbstbewusst getragen wird. Dass das zutiefst diskriminierend ist, steht außer Frage. Für blinde Menschen und Menschen mit Sehbehinderungen hält die Gastronomie eine wesentliche, aber viel weniger prominente, Barriere erst einige Zeit nach dem Betreten des Lokals bereit, spätestens beim Erstkontakt mit dem Personal und der Frage:
„Was darf’s denn sein?“
Sofern es sich nicht um das Stammlokal handelt, müsste man sich auf diese Frage vorbereiten, indem man sich in die Speisekarte vertieft. Bei den gängigen gedruckten Speisekarten kommt man aber, wenn man blind ist oder eine Sehbehinderung hat, nicht besonders tief. Nicht so schlimm, sagen Sie? Man kann sie sich doch vorlesen oder sich etwas empfehlen lassen, meinen Sie? Mag sein, dass das eine Lösung ist – je nach Situation und persönlichen Vorlieben die bevorzugte bis hin zur gerade noch akzeptablen.
Aber sind wir uns ehrlich: Es macht doch auch einen deutlichen Unterschied, ob man sich von drei mühevoll organisierten Personen, die eigentlich gerade etwas ganz anderes zu tun hatten, über eine Stufe hieven lassen muss, um dann erschöpft und unter Beobachtung der gesamten Gästeschaft am Tisch anzukommen, oder ob man selbstverständlich, mühelos und ohne großes Aufsehen zu erregen durch die Eingangstür schreitet, sich vielleicht noch nach einem freien Tisch erkundigt und kurz darauf Platz nimmt. Eben. Und so ähnlich ist es auch mit dem Vorlesen lassen und dem selbst Lesen der Speisekarte.
Tastbar und sichtbar bleibt kostbar
Der Klassiker, den wir uns in solchen Fällen wünschen, sind Speisekarten in Braille und Großdruck. Das höchste der Gefühle ist hier, dass diese Formate zusätzlich zur herkömmlichen Speisekarte angeboten werden, wo sich in puncto Lesbarkeit oft in jedem erdenklichen Sinne ausgetobt wird. Und dennoch: Was wir Ihnen in diesem Artikel vorstellen, kann sie keinesfalls ersetzen. Es handelt sich nämlich um etwas, das sich ohne Smartphone mit Internetzugang nicht nutzen lässt. Darüber verfügen nun mal nicht alle Restaurantgäste und es wäre auch nicht wünschenswert, ihre Autonomie beim Bestellen davon abhängig zu machen.
Inspiration aus berührungslosen Zeiten
Für all jene, die im Umgang mit dem Smartphone geübt sind, gibt es eine weitere ganz einfache und kostengünstige Möglichkeit, Speisekarten barrierefrei verfügbar zu machen: einen QR Code, der zur Speisekarte in digitaler Form führt. Die großartige Nebensache daran: Wir haben es hier nicht einmal mit einer Extrawurst für Menschen mit Sehbehinderungen zu tun, denn diese Art der Speisekarte erfreut sich nicht zuletzt in Pandemiezeiten und dem Wunsch danach, möglichst wenig anzugreifen, das auch viele andere Menschen angreifen, immer größerer Beliebtheit.
Für die inklusive Ausführung gibt es nur zwei Punkte zu beachten: Erstens müssen die Gäste auf den QR Code, seine Funktion und wo er zu finden ist hingewiesen werden. Wäre schließlich gut möglich, dass man z.B. mit dieser Form der Speisekarte nicht rechnet oder den QR Code nicht sieht. Zweitens muss das Dokument, zu dem man nach dem Einscannen gelangt, natürlich ein barrierefreies sein. Ein Foto von der Speisekarte in kunstvollem Hand-Lettering ist also schon einmal ein No-Go.
Und so geht‘s
Einen QR Code zu erstellen ist keine große Hexerei. Dazu finden sich im Internet zahlreiche Beschreibungen und es gibt Software, die sogar für kommerzielle Zwecke kostenlos genutzt werden darf. Der Inhalt dieses QR Codes sollte dann ein Link sein, der zu dem Ort führt, wo das Dokument mit der Speisekarte hinterlegt ist. Das könnte z.B. ein Bereich auf der Webseite des Lokals oder ein Speicherort auf einer Cloud sein. Nach dem Scannen sollte sich auf jeden Fall direkt die Speisekarte öffnen.
Dieses Dokument so zu gestalten, dass auch Menschen, die blind sind oder eine Sehbehinderung haben, es nicht nur lesen, sondern auch effizient darin navigieren können, erfordert genauso wenig magische Kräfte – aber vielleicht ein wenig erhöhte Aufmerksamkeit.
Lüften wir das Geheimnis
Dieses Navigieren ist in einem Dokument wie einer Speisekarte ganz besonders wichtig. Schließlich will man darin gezielt suchen und zwischen jenen Stellen hin und her springen können, die einen interessieren, um zügig seine Wahl treffen zu können. Man macht das automatisch. Niemand liest sich z.B. durch den Familienstammbaum der Besitzerfamilie, die Suppen, Vorspeisen, Hauptgerichte, Beilagen und Kindermenüs, wenn er eigentlich für Kaffee und Kuchen da ist. Einmal unter der Überschrift „Heißgetränke“ angekommen, verlässt man sich darauf, dass sich kein Schnitzel dazwischen schummelt und der Preis für den Espresso nicht in Wirklichkeit zum Gulasch gehört.
Eine klare, verständliche und verlässliche Struktur und Lesereihenfolge ist wichtig, damit man nicht nach dem ersten Reinlesen aufgibt und womöglich enttäuscht von dannen zieht. Alle brauchen das – egal, ob sie den Text sehen, ertasten oder hören. Und jetzt verraten wir Ihnen etwas, das Sie sich vielleicht eh schon gedacht haben: Das gilt bei weitem nicht nur für Speisekarten, sondern im Grunde genommen für alle schriftlichen Informationen.
Digitale Dokumente barrierefrei formatieren
Dazu, wie man digitale Informationen barrierefrei gestaltet, gibt es ganze Seminare, Bücher und sogar Gesetze. Das alles in einen Artikel zu packen würde den Rahmen sprengen und ist auch gar nicht nötig, weil es eben genanntes ja gibt. Ein paar Tipps zum richtigen Formatieren, die Sie sich leicht merken und auch z.B. bei Gelegenheit – um auf unseren Aufhänger zurück zu kommen – dem Wirten Ihres Vertrauens ans Herz legen können, haben wir im Folgenden kurz zusammengefasst:
Struktur von Anfang an
Nutzen Sie bei der Erstellung eines Dokuments in Word Dokument- und Formatvorlagen (z.B. für Überschriften, Aufzählungen, Verzeichnisse, Verweise). Dadurch erhalten Sie automatisch eine gute Struktur mit allem was nötig ist, um darin navigieren zu können (z.B. von Überschrift zu Überschrift springen).
Sehende Leser_innen nicht vergessen
Wählen Sie eine Schrift ohne Serifen, eine Schriftfarbe mit gutem Kontrast zum Hintergrund und eine ausreichende Schriftgröße – Details siehe auch www.leserlich.info
Text, Text und noch einmal Text
Machen Sie alle Informationen als Text verfügbar. Achten Sie darauf, dass die Lesereihenfolge korrekt ist. Zur Kontrolle können Sie z.B. den Text markieren – wenn die Markierung an eine andere Stelle springt, als jene, wo man weiterlesen müsste, stimmt dort etwas nicht.
Achtung: Schreiben Sie für das Verständnis relevante Inhalte (z.B. Überschriften) nie ausschließlich in die Kopf- oder Fußzeile und verwenden Sie Tabellen nie als Gestaltungselement – setzen Sie stattdessen z.B. Listen ein.
Und bei Bildern? Auch Text!
Versehen Sie Fotos und Grafiken mit einem angemessenen beschreibenden Alternativtext.
Struktur bis zum Schluss:
Wenn Sie Ihr Dokument in ein PDF umwandeln wollen, speichern Sie es als PDF ab, sodass die erstellte Struktur erhalten bleibt. Wählen Sie dazu bei den Speicheroptionen „Dokumentstrukturtags für Barrierefreiheit“ aus. „Drucken“ Sie es niemals als PDF, denn so geht die Struktur verloren.
Rückfragehinweis
Bei Rückfragen oder Anregungen wenden Sie sich bitte an Doris Ossberger unter barrierefrei@blindenverband.at